WortKlangBild | 16.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

„WortKlangBild“. Unter diesem Titel findet alle zwei Jahre eine „Lange Nacht der Museen“ in Neuburgs historischer Altstadt statt. 22 Veranstal­tungsorte machen mit, und weil für den musikalischen Teil unter anderem das Birdland zuständig ist, gibt’s dort folg­lich eine „Lange Nacht des Jazz“. Mit drei Bands, die alle eine Gemeinsamkeit verbindet: Die beteiligten Musiker haben auf irgendeine Weise mit Neuburg oder der Region zu tun.

Da ist zum einen das JLO -Quartett mit Jens Lohse (Klavier), Christof Zoelch (Tenorsaxofon), Michael Harnoß (Kon­trabass) und Tom Peroutka (Schlagzeug). Die Band beschäftigt sich auf eine sehr reife Art mit Latin und Soul Jazz, into­niert behutsame Versionen von „Harlem Nocturne“ und dem Traditional „Someti­mes You Feel Like A Motherless Child“ und schlägt den Bogen zu Carla Bley und der überaus reizvollen Bearbeitung eines Kirchenliedes unter dem Titel „Santa Mia“. Die Bandmitglieder liefern überzeugende Soli, spornen sich gegen­seitig an und begeistern die Fans im rap­pelvollen Birdland in jeglicher Hinsicht.

„Just Friends“ nach ihnen haben es da ungleich schwerer, denn zwei tragende Säulen am Klavier und am Schlagzeug fehlen, weil die aktuellen Coronaregeln – im Birdland gilt 3 G Plus – „für sie wohl zu streng waren“, wie Sängerin Sonja Auer-Strobl erklärt. Nun, interna­tionale Stars fahren extra quer durch die Republik, um im Birdland spielen zu können, andere fühlen sich außer Stande, eines der drei G’s auf sich anzuwenden. Man muss das akzeptieren, verstehen muss man es nicht. Den Scha­den hat die Restband, die Vokalistin, die die Lage er­klären muss, Richard Iberle am E-Bass, die bei­den Gi­tarristen John Grund und Norbert Knob­lach und der flugs von der ersten Band ausgeliehene Tom Peroutka. Sie versu­chen zu retten, was eigentlich nicht zu retten ist, wenn ein Drittel der Band aus­fällt, bringen aber doch recht hörenswer­te Versionen von „Sunny“, „Summerti­me“, „Paper­moon“, „Lover­man“ und an­derer Standards zustande und bekommen dafür auch den berech­tigten Applaus. Hut ab für den Mut, sich unter dermaßen er­schwerten Bedingun­gen der Situation zu stellen und sich da­bei immerhin noch recht ordentlich zu schlagen.

„Die Seemänner“ mit Manfred See (E-Bass, Kontrabass), Bernhard Reitberger (Perkussion), Sven Wittig (Tenorsaxo­fon) und Steffen Mayer (Klavier) sind ein Produkt des Lockdowns. Virtuell ein­studiert, arrangiert und geprobt, nun erst­mals live vor echtem Publikum. Ja, es ist tatsächlich der erste Auftritt der Band. Und man merkt gar nichts davon. Ihre Stärke sind eigenständige Interpretatio­nen von Stücken, die sonst eigentlich niemand covert. Keith Jarrett, Chick Co­rea und John Lewis stehen ebenso auf der Playlist wie Dollar Brand und Don Grolnick. Wie die Band zwischen Main­stream, Modern Jazz und Fusion pendelt, ist sehr bemerkenswert, wie sie Räume findet oder selber schafft, sie auf ihre Be­dürfnisse hin auslotet und mit eigenen Ideen füllt, ist zu diesem frühen Zeit­punkt ab­solut überraschend. Hier bietet sich vier Musikern die Gelegenheit, in einem der berühmtesten Jazzclubs hier­zulande vor ausverkauftem Haus die ers­ten Schritte als Band zu tun. Kein Wun­der, dass das Quartett sich diese Chance nicht entge­hen lässt.