Presse

Barry Altschul and 3Dom Factor | 10.05.2025
Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Man könnte es ja mal probieren, diese Band ans Stromnetz der Stadtwerke anzuschließen. Mit ihrer berstenden Energie wäre sie womöglich ein enormer Gewinn in Zeiten knapp werdender Ressourcen und könnte Neuburg mutmaßlich allein ein paar Tage versorgen. Schrulliger Vergleich, zugegeben. Aber wer an diesem Abend im Hofapothekenkeller der Darbietung der drei Avantgarde-Legenden Barry Altschul, Joe Fonda und Jon Irabogon lauscht, der kann sich nur schwer der Wucht und Dynamik entziehen, die das Trio da von der Birdland-Bühne schickt. Natürlich ist es schwere Kost. Aber man spürt fast körperlich, wie viel Power diese Ausnahmeformation aus New York produziert, welche Kraft in ihren Kollektivimprovisationen steckt, die geschickt zwischen traditionellen, holprig swingenden Formen und mildem Freejazz hin- und herpendeln. Und das Erstaunliche dabei: Während ein solches Konzert noch vor einigen Jahren bisweilen noch weniger Zuschauer als Bandmitglieder angezogen hätte, ist das Gewölbe diesmal erstaunlich gut besucht, wenn auch nicht ganz ausverkauft. Auch dafür hat das Birdland inzwischen ein Stammpublikum.

Spezialisten aus ganz Deutschland sind angereist, weil es eine Combo wie den „3Dom Factor“ nicht alle Tage hierzulande live zu sehen gibt. Barry Altschul, das 82-jährige Drum-Fossil aus der Bronx, schlurft mit Gehstock und dunkler Sonnenbrille durch den Keller, wirkt gebrechlich und hilfebedürftig. Wenn er jedoch hinter seinem Set Platz nimmt, explodiert einer der dynamischsten Schlagzeuger des Jazz, der einst die Musik von Größen wie Paul Bley, Chick Corea, Anthony Braxton, Dave Holland oder Sam Rivers bewegte, förmlich. Altschul liebt es, multiple Rhythmen in einen reißenden Strom an Percussion-Sounds zu leiten, er weiß aber auch ebenso feinfühlig wie behutsam mit den Besen umzugehen. Dann ist da noch Joe Fonda, der Mann, der den Kontrabass völlig anders bedient als jeder seiner Kollegen; singend, fragend, sich vermeintlich selbst verlierend, mit langsamen gezogenen Tönen, ein bisschen gespenstisch, ein bisschen knarzend, wie ein Bauer, der einen vollbeladenen Karren mit eigenen Händen zieht. Es sind wirklich unglaublich große, tiefe Töne, die der 70-Jährige da aus seinem hölzernen Korpus kitzelt.

Fonda mag es, die Darbietungen seiner Gefährten mit komplementären Klangfarben unterlegen, sie zu umspielen, wie etwa das liedhafte Intro des ideenreichen, stets dialogbereiten Tenorsaxofonisten Jon Irabogon, das zu einer kantigen Ballade gerät, bei der sich die harmonischen Strukturen von Johnny Hodges und die lavaartigen Ausbrücke von Albert Ayler wie selbstverständlich verschränken. Man muss Irabogon eine Weile gehört haben, um sein Charisma zu spüren: Wie lässig er Akkordbrechungen swingt. Wie er mit trocken intonierten Melodiewendungen die alten Meister des Cool anblinzelt. Wie er seinem Ton Hitze gibt und durch kantige Bop-Phrasen fegt. Wie er flüchtige Erinnerungen an die Klangverläufe eines Albert Ayler zur Seite wischt, indem er einen Ton überbläst, und die Musik in ganz eigene Sphären katapultiert. Der 45-Jährige verkörpert das Bandkonzept am perfektesten: den Spagat zu wagen zwischen instrumentaltechnischer Finesse und einer am Punk geschulten Energie, zwischen cooler Geläufigkeit in allen Facetten der Tradition und der Chuzpe, sich lässig über alle Konventionen hinwegzusetzen.

Im Grund genommen fußt alles, was Altschul, Fonda und Irabogon an diesem Abend wagen, auf einer simplen Bluesform, die sie wahlweise auflösen, verändern oder wieder zusammenführen. Und noch etwas fällt auf: Es gibt erstaunlich viele solistische Alleingänge, manchmal ganze Stücke, in denen entweder das Saxofon, der Bass oder gar das Schlagzeug separat durch das Dickicht aus Skalen, Takten oder Kadenzen führen. Die hohe Schule des zeitgenössischen Jazz, allemal emotional und nicht technokratisch, voller Energie und am Schluss mit jeder Menge Bravo-Rufen bedacht, aber leider nicht mit einer Zugabe belohnt.


Danny Grissett Trio | 09.05.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Danny Grissett ist 50. Die ersten 25 Jahre seines Lebens hat er in Los Angeles verbracht, 15 weitere in New York und seit zehn lebt er in Wien. Zusammen mit Tom Harrell, Nicholas Payton und Pee Wee Ellis war er auch immer wieder mal im Neuburger Bird­land Jazzclub zu Gast. Immer als Side­man am Klavier. Jetzt entzückt er erst­mals als Bandleader das Publikum im restlos ausverkauften Club.

Entzückt? Ganz genau. Denn sein Kon­zert im Rahmen der Reihe „Art Of Pia­no“ ist eine echte Sternstunde einer der Königsdisziplinen des Jazz, des Piano Trios, von der man schon alles zu wissen glaubte. Eine Einschätzung, die sich an diesem denkwürdigen Abend als grund­falsch und voreilig herausstellt. Wie hin­reißend und auf welch überaus elegante Weise Grissett sich nämlich des Themas „Heimat“ annimmt, das für einen Welt­bürger wie ihn zwangsläufig immer wie­der relevant ist, dazu passend ein Album mit dem Titel „Travelogue“ heraus­bringt, auf dem sich Kompositionen be­finden wie „The Long Way Home“, „Wonder Wander“ und „The People In The City“, das ist schon äußerst bemer­kenswert.

Zusammen mit seinen beiden kongenia­len Partnern, dem Bassisten Vincente Ar­cher, der schon mal mit der John Sco­field Group Neuburger Luft geschnup­pert hat, und dem Schlagzeuger Frances­co Ciniglio, geboren in Neapel, wohn­haft in New York und Birdland-Neuling, beschreibt er auf unnachahmliche, sehr subtile und emotionale Weise Orte, Be­gegnungen, Situationen, die eine anfangs fremde Umgebung zur Heimat machen, ein Begriff, der sich mit jedem Umzug verändert und neu definiert werden muss. Und manchmal wird sogar einer der unzähligen Spielorte, die er durch­reist, zu einem kleinen Stück Heimat. „Eine Stadt wie Neuburg zum Beispiel. Hierher komme ich immer wieder gerne und mit Vorfreude“, sagt er.

Grissett’s Stücke sind von der Struktur her hochkomplex. Der Drummer entwi­ckelt einen Gegengroove zum Beat, der Mann am Bass koppelt Straight Ahead-Jazz mit Swing, Mulgrew Miller’s „When I Got There“ kommt herrlich re­laxed und bluesig daher und Duke El­lington’s „Wig Wise“ erhält ein komplett neues Outfit. Grissett’s eigene Stücke sind samt und sonders Kunstwerke und die Adaptionen macht er zu kleinen Pre­tiosen, Ein vom ersten Ton an edler, vor­nehmer Sound verspricht etwas ganz Be­sonderes. Und genau das bekommt das Publikum dann auch. Die Ballade „Here’s That Rainy Day“ etwa, in der Grissett die Tastatur streichelt und lieb­kost, dann „Blue J.“ für seinen damals fünfjährigen Sohn, in dem man akustisch Zeuge wird, wie der Kleine in der Woh­nung herumtobt, oder das vielgestaltige „Picture In Picture“, mit dem Grissett Orte besucht, die er bereits kennt, und die dortigen Veränderungen kommen­tiert. So wird „The Long Way Home“ zu einem zweistündigen Triumphzug.

Durch seine Offenheit hat Grissett so­fort einen Draht zum Publikum, berichtet von seiner Vorliebe für Basketball, fürs Kochen und Fotografieren, dass er auch als Buchautor tätig ist und sogar Singles herausbringt, was Jazzer eigentlich so gut wie nie tun. Am Ende lässt man ihn nur äußerst ungern gehen, was nicht ver­wunderlich ist, denn einen dermaßen perfekten Abend erleben selbst Birdland-Stammgäste nur äußerst selten. – Danny Grissett? Am besten möglichst bald wie­der!


Noah Preminger Quartet | 03.05.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Als der aus Brooklyn stammende Tenorsaxofonist Noah Pre­minger 2017 zum ersten Mal im Neubur­ger Birdland Jazzclub zu Gast war, be­fand sich Donald Trump gerade mitten in seiner ersten Amtszeit. Und 2021, bei seinem zweiten Gastspiel an der Donau, dachte man, der Spuk wäre endgültig vorüber. Wie man sich doch täuschen kann. Preminger bezog damals eindeutig Stellung, als Künstler, als Intellektueller und als amerikanischer Staatsbürger. Und nun ist er wieder zu Gast in der Stadt, „in der man als Musiker empfan­gen wird, als wäre man einer der Royals, was nicht eben häufig vorkommt,“ wie er sagt.

Vor kurzem erst hat ein Album mit dem Titel „Ballads“ veröffentlicht, worauf sich Titel wie „Democracy“ und „Unfair World“ befinden, was man durchaus für ein Indiz halten könnte dafür, dass ihm die Figur, die sich erneut erdreistet, sich „Mr. President“ zu nennen, gehörig im Kopf herumspukt. Aber nein, keinen die­ser Songs spielt er an diesem Abend und balladesk geht es bis auf eine Ausnahme – „Carry Me Ohio“ des Singer/Songwri­ters Mark Edward Kozelek und dessen Band Sun Kil Moon – schon gar nicht zu. Statt dessen verschafft er sich, mit anscheinend einer gehörigen Portion Wut und Empörung im Bauch, über sein Instrument Luft, bläst seine Empfindun­gen hinaus in das Kellergewölbe, kraft­voll, bisweilen fast ungestüm, aber frei­lich immer auch künstlerisch brillant und musikalisch über jeden Zweifel erhaben.

Bereits bei seinem letzten Besuch im Birdland konnte man die enorme Band­breite seiner Ausdrucksmöglichkeiten bewundern, seine Kompositionen, die sich mitunter unversehens in gänzlich unerwartete Richtung entwickeln und doch wegen ihrer eindringlichen Groo­ves nie an Bodenhaftung einbüßen und geprägt sind von einer Art elastischen, bieg- und dehnbaren Kompaktheit. Und sie transportieren Empfindungen. Mit Ju­lian Shore aus Rhode Island am Klavier, Phil Donkin aus Sunderland, England, am Kontrabass und Leif Berger aus Köln am Schlagzeug als Kollegen hinter und als Partner neben sich, legt er sein In­nerstes offen. Selten etwa hat man ein derart trauriges Stück im Birdland gehört wie „Rainin’“, das er nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin im Dezem­ber 2024 am ersten allein verbrachten Abend in der leeren Wohnung geschrie­ben hat.

Wer sich wie Preminger Gedanken um seine persönliche Situation machen muss, für den gibt es in diesem Augen­blick vermutlich Wichtigeres als die Zu­stände im Weißen Haus, aber ein poli­tisch denkender Mensch wie er verrät deswegen noch lange nicht seine Über­zeugung. Er spiele an Wochenden regel­mäßig in einem Club in Boston, erzählt er. Dort finde man im Publikum ganz selbstverständlich Menschen jeder Haut­farbe, jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder Herkunft, Einheimische und Tou­risten, treulich vereint. Das sei für ihn die Idealsituation, was eine Abordnung aus Boston, die im Birdland zugegen ist, auch lautstark bestätigt. Dass die US-Re­gierung gerade dabei ist, diesen Zustand in sein Gegenteil zu verkehren, macht ihm anscheinend wirklich Sorgen und dass er sein Stück zu diesem Statement „Humus“ nennt, sagt schon einiges aus. Wie auch die Tatsache, dass er sein Konzert ausgerechnet mit Don Cherry’s „March“ beginnt, einem Künstler, dem persönliche und musikalische Freiheit über alles ging. – Ein denkwürdiger Abend.


Roman Schwaller Quartett | 02.05.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Vor 25 Jahren sei er zum letzten Mal im Neuburger Birdland Jazz­club zu Gast gewesen, sagt Roman Schwaller, in der Schweiz geborener, dann in München und jetzt in Wien le­bender Tenorsaxofonist, und er denke gerne an die Zeiten damals zurück. Sein Konzert nach so langer Zeit wird denn auch eines mit vielen Erinnerungen an Kollegen, Anekdoten und ganz persönli­che Lieblingsstücke.

Zusammen mit ihm, den man auch von seiner Mitgliedschaft in der NDR Big Band und im Vienna Art Orchestra kennt, sind seine langjährigen Wegge­fährten Thomas Stabenow am Kontra­bass und Schlagzeuger Mario Gonzi so­wie der junge Matyas Bartha am Klavier mit von der Partie und sorgen dafür, dass die gut zwei Stunden im Birdland für das Publikum zu überaus erfreulichen und mitreißenden werden, denn das Quartett zeigt sich sehr inspiriert und gut aufge­legt, allen voran Schwaller selber, der mit trockenem Humor von der Bühne herunter witzelt und sich als im Main­stream und im Modern Jazz gleichfalls verankerter Musiker outet, der bewusst auf gekünstelte Spielereien verzichtet, dessen gleitende und spannende solisti­sche Linien ohne plakativ eingesetzte Ef­fekte auskommen und dafür von klarem Sound geprägt sind. In Jimmy Woode’s „Broadway“, das er zusammen mit Kol­lege Stabenow 1987 für ein Mel Lewis-Album eingespielt hat, liefert er ein bei­spielloses Solo ab, vielleicht sogar sein schönstes an diesem Abend, und der bes­tens aufgelegte Matyas Bartha tut es ihm gleich danach bei Duke Pearson’s Balla­de „I Know You Care“ gleich.

Schwaller’s Faible für Thelonious Monk wird im ersten Set deutlich, als er dessen „Trinkle Tinkle“ und „Ruby, My Dear“ spielt. Anschließend taucht er mit der Meyer/Bretton/Edward-Koprodukti­on „For Heaven’s Sake“ und Dave Bru­beck’s „In Your Own Sweet Way“ in die Welt des Cool Jazz ein, erweist schließ­lich zum Ende des Konzerts hin Horace Parlan mit „Arrival“ und Cedar Walton mit „Head And Shoulders“ und damit den Siebziger Jahren seine Reverenz und verbeugt sich auch vor dem legendären Johnny Griffin, mit dem er etliche Jahre zusammenarbeitete.

In der Hauptsache geht es an diesem Abend um Adaptionen, aber das dem Drummer Jimmy Cobb gewidmete „The Loco-Motif“ aus seiner eigenen Feder, das durch die eigenwillige Verbindung des Mitgröl-Songs „Happy Birthday For You“ mit absolut schräger Harmonien zu einem rasanten Bebop-Knaller wird, ist dann doch ein Beleg dafür, dass er auch als Komponist etwas zu sagen hat, auch wenn er diesen Trumpf an diesem Abend im Birdland nicht wirklich ausspielt. Da­für öffnet er freilich damit schon wieder ein eigenes Kapitel seines Erinnerungs­albums, denn zusammen mit Cobb gas­tierte er 1996 im Birdland-Keller.

Dass Schwaller als Kind zusammen mit Tausenden seiner Altersgenossen mit der Blockflöte angefangen hat, zu Beginn seiner Karriere eigentlich Klarinettist war und in seiner Jugend Mozart und Weber spielte kommt ebenso wenig zur Sprache wie seine zwischenzeitliche Tä­tigkeit als Fallschirmspringer. Das ist auch nicht nötig, denn seine Biografie ist eh schon randvoll mit Musik und Ge­schichten rund um die Musik. Und um die geht es. Wenn diese dann auch noch persönlich vom Protagonisten so char­mant verpackt werden wie an diesem Abend, hat das schon eine ganz besonde­re Note.


Andreas Willers „Old & New“ | 26.04.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Carla Bley, die große Pianistin und Organistin, die auch im Birdland in Neuburg zu hören und zu se­hen war, war nie eine Vertreterin des Free Jazz, aber ihren Kompositionen haftete stets etwas Subversives an. Ähn­liches könnte man auch vom Gitarristen Andreas Willers aus Berlin sagen. Der hat sich Carla’s Stücke, die sie in den Sechzigern häufig auf den Platten ihres Ehemannes Paul unterbrachte, vorge­nommen, um sie, wie es im Programm­heft des Birdland heißt, „auf ihre un­sichtbaren Wurzeln und Triebe hin zu untersuchen“.

Dabei kommt ihm zugute, dass er sel­ber wie auch Schlagzeuger Bill Elgart – jeder zu seiner Zeit – Teil der Bley-Band war und somit mit deren Stoff bestens vertraut ist. Im ersten Set verbindet Wil­lers vier, im zweiten fünf Titel aus Car­la’s und seiner eigenen Feder zu suitenar­tigen Gebilden und erklärt die Vorge­hensweise so: „Man weiß nie genau wo’s hingeht, aber auf dem Weg dorthin gilt es, verschiedene Stationen abzuklap­pern“. Damit spielt er an auf die notier­ten Eckpunkte, die angesteuert werden müssen, was dann durchaus abenteuer­lich klingen kann, aber nie planlos wirkt. Es gehe – wieder sei das Programmheft zitiert – um ein „chaotisch-geordnetes, ungeschütztes Mit-, Neben- und Durch­einander“, was aber an diesem speziellen Abend nur teilweise stimmt, weil „King Korn“, „Circus“ und Syndrome“ als die das jeweilige Set beschließenden Stücke durchaus griffig, themenbezogen und rhythmisch straff daherkommen und so­mit leichter konsumierbar sind als der Rest.

Das Quintett besteht aus Musikern, die durchaus ihr eigenes Ding durchziehen, aber nie vergessen, was eine Band, auch wenn sie im avantgardistischen Bereich tätig ist und sich jede Menge Freiheiten herausnimmt, im Endeffekt ausmacht, nämlich der kollektive Aspekt. Pianist Jan Lukas Roßmüller steuert immer wie­der kleine Kürzel bei, drückt sich aus quasi mit Hilfe der Stenographie statt in der Langform, Elgart verfügt über ein unerschöpfliches Reservoir an Schlagva­rianten und rhythmischen Optionen und lässt das Publikum den Groove spüren, indem er ihn umspielt anstatt ihn autori­tär vorzugeben. Und Meinrad Kneer am Kontrabass demonstriert mit warmem, sattem, rundem Ton, welch tolles Gerät der hauseigene Bass-Amp der Firma „Glockenklang“ doch ist.

Und so wird man also Zeuge, wie sich die Band hineintastet in das jeweilige Stück, das Thema sich allmählich her­ausschält, wie die Band sich und den Kompositionen Carla’s den Raum gibt, sich zu einem intensiven klanglichen Er­eignis zu verdichten, nur um anschlie­ßend wahlweise abrupt zu enden oder sich in einzelne Fasern aufzulösen oder einfach davonzuschweben. Dass dabei Willers Vorgehensweise der Carla’s oder Paul’s ziemlich nahekommt, ist folge­richtig und gewollt. Nur liegen dazwi­schen Jahrzehnte. „Old & New“ eben.

Natürlich operiert die Band Willers meilenweit entfernt vom Mainstream, auch von dem innerhalb des Jazz, dem Genre, in dem ja bekanntlich vieles geht, was anderswo nicht geht. Und weil es zum Konzept des Birdland nun mal ge­hört, die komplette Bandbreite des Jazz abzubilden, sind Konzerte dieser Art be­sonders wichtig und unverzichtbar. Und zudem in hohem Maße bereichernd und erfüllend für alle, die sich nicht mit ein­gefahrenen Hörgewohnheiten zufrieden geben.


Jakob Bänsch Quintet | 25.04.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Der Trompeter Jakob Bänsch, im Januar 23 geworden, wird als eines der größten Talente des deutschen Jazz gehandelt. Dass diese Einschätzung nicht von ungefähr kommt, konnte man erst vor kurzem beobachten, als er als Teil der Band der Pianistin Gee Hye Lee im Birdland zu Gast war. Nun steht er erstmalig als Leader seines eigenen Quintetts auf der dortigen Bühne, zu­sammen mit dem Pianisten Niklas Roe­ver, der lettischen Gitarristin Ella Zirina, dem Kontrabassisten Jakob Obleser und dem Schlagzeuger Leo Asal.

Wenn man die Augen schließt und Bänsch zuhört, könnte man glatt denken, der große Freddie Hubbard sei wieder auferstanden, aber um die Rolle des Nachfolgers eines der ganz Großen geht es ihm gar nicht. Sondern vielmehr um einen ganz eigenen Weg, der sich hin­durchschlängelt zwischen Modern mit Schwerpunkt in der ersten Hälfte und Mainstream mit einem Übergewicht in der zweiten sowie einer wunderschönen konventionellen Standard-Bearbeitung von „My Foolish Heart“ in der Zugabe. Es ist nicht einfach, sich mit so jungen Jahren Gehör zu verschaffen in einer Szene, in der bisher Kollegen wie Till Brönner, Joo Kraus oder Nils Wülker den Ton angaben. Mit seinem ersten Al­bum bereits positionierte Bänsch sich unweit der Pole Position und nun stellt er im Birdland die Stücke seines zweiten mit dem Titel „All The Others“ vor, fügt jenen ein paar seiner Kollegen hinzu und entwickelt dabei aus vielerlei Einflüssen aus der Klassik, der Filmmusik und so­gar aus der Literatur einen eigenen Sound. Dazu gehört der Einsatz von di­versen Effekten wie Hall und Sampling ebenso wie das Flirren der Stromgitarre Ella Zirina’s, das mitunter recht knackige Drumming Leo Asal’s, aber auch die un­ter die Haut gehende, behutsame und fi­ligrane Begleitung Roevers.

Bänschs Herangehensweise ist unty­pisch. Er bezieht sich nicht auf berühmte Kollegen aus der Jazzhistorie, sondern auf Dinge, die ihm gefallen, auf Figuren, die ihm wichtig sind. Auf Mephisto etwa in einem Stück gleichen namens, bei „Meave“ auf eine Netflix-Serie, bei „Tano“ auf Star Wars, bei „Iroh“ auf die Online-Plattform Avatar-Wiki. Sie die­nen als Inspirationen gleichermaßen für vertrackte Strukturen, für federnde Groo­ves oder auch deftigere Funk-Rhythmen, aber auch für seine Melodien, die er – technisch brillant und enorm vielseitig – über sie legt. Bänsch erzählt Geschich­ten, zum Beispiel eine mit der Über­schrift „Kauai’o’o“ über einen mittler­weile ausgestorbenen Vogel auf Hawaii, über den er eine You Tube-Doku gesehen hat. Das Tier lebt nun fort als Clip und als Musikstück inklusive seines Rufs, seines hörbaren Flügelschlags, seiner Flugbewegungen.

hDass er und seine Band beispielhaft an einem Strang ziehen, wird auch bei den Stücken hörbar, die nicht von ihm selbst, sondern brandneu sind und von Zirina („August 2024“) oder Roever („Pati­ence“) stammen. Sie fügen sich nahtlos ein in das Gesamtkonzept dieses Kon­zerts, das zwar auf „All The Others“ ba­siert, aber auch schon wieder in die Zu­kunft weist. Wohin auch sonst bei Musi­kern, von denen noch keiner die 30 er­reicht hat, von denen jeder an mehreren Projekten beteiligt und auf Tour ist, aktu­ell eben unter der Leitung Bänschs. Hof­fentlich wird die Band in dieser Konstel­lation auch künftig noch oft unterwegs sein, denn in dieser Besetzung ist dieses Quintett, angeführt von einem Leader dieser Klasse, eine Top-Adresse.


Jakob Bänsch Quintet | 25.04.2025
Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Da steht dieser junge Musiker auf der Bühne des Neuburger Birdland-Jazzclubs, charmant, freundlich und doch erstaunlich reif, staunt und gesteht voller Respekt: „Dieser legendäre Schuppen hier macht einen schon beim Blick auf die Fotos an der Wand ganz demütig!“ Die Umgebung könne einen aber auch motivieren, schiebt Jakob Bänsch hinterher. Denn er ist intelligent genug, um nicht mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Vielmehr blickt der Trompeter aus Pforzheim, der 2024 den Deutschen Jazzpreis erhielt, gerne auf den reichen Erfahrungsschatz der Vergangenheit zurück, damit er sinnvoll und nachhaltig an der Zukunft des Jazz basteln kann.

Nicht wenige fragen sich an diesem besonderen Abend im rappelvollen Hofapothekenkeller gleich mehrmals: Wie kann ein gerade mal 22-Jähriger nur so spielen? Akkurat, intonationssicher, ausdrucksstark, brillant, technisch am obersten Level, so als wäre er schon seit über drei Jahrzehnten dabei. Und vor allem: voller Tiefe, Wärme und Ideenreichtum. Hier agiert kein seelenloses Wunderkind, das nur Licks oder schnelle „Winner“ zum bloßen Selbstzweck auf einem Instrument abfeuert, das einen schon mal zu zirkusartigen Kunststückchen verleiten kann. Jakob Bänsch erzählt lieber. Aus seiner Trompete fließen Pointen, Bonmots, intelligente, fesselnde Geschichten, unterfüttert von einer wunderbar homogenen Band, die ideal auf dem schmalen Grat zwischen detailliert arrangierten Notengebilden und entfesselten Improvisationen zu balancieren weiß. Zum Glück tendiert diese Ausnahmeerscheinung an der Trompete nicht zum Weichspüler wie heutzutage ein Till Brönner, sein Vorgänger auf dem Hot-Seat des Hoffnungsträgers. Bänsch hat längst seinen eigenen Stil gefunden, klar traditionsbewusst, wie er in der Zugabe mit seinem erklärten Lieblingsstandard „My Foolish Heart“ belegt, aber auch spürbar modern, jung, frisch. Dabei lässt er sich von Charakteren und Themen inspirieren, die ihn persönlich beeindrucken – aus der Literatur, aus Filmen, Serien und der realen Welt. „Mephisto“ lehnt sich an Goethes „Faust“ an, „Kauaiʼoʼo“ ist einem hawaiianischen Vogel gewidmet, während „Maeve“ als groovende, funkige Hommage auf eine toughe Frau daherkommt und der Hauptdarstellerin in der Netflix-Serie „Sex Education“ auf den Leib geschrieben wurde.

Die erklärten Höhepunkte haben sich Bänsch und Co. jedoch für das Finale aufgehoben. Aus vielen inspirierenden, geistreichen und letztlich emotionalen Stücken auf allerhöchstem Niveau ragen „Iroh“, für das der Blockbuster „Avatar“ Pate stand, sowie „Tano“, ein klingendes Denkmal für einen Jedi-Ritter aus „Star Wars“, heraus. Im feinen Duett mit der lettischen Gitarristin Ella Zirina, die spinnwebartige, gefrickelte Soundflächen generiert, bläst Bänsch eines der schönsten Trompetensoli, das je im Birdland erklang. Faszinierend, wie er dann mit Zirinas Gitarre Unisono-Linien generiert, die fast wie ein neues Instrument klingen, während das Piano von Niklas Roever wertvolle harmonische Fundamente legt und Bassist Jakob Obleser sowie Drummer Leo Asal den makellosen Ensemble-Sound zur Perfektion führen. Mal erinnert dieser junge Bursche an Freddie Hubbard, der vor 34 Jahren das bislang längste Konzert im Hofapothekenkeller (sieben Stunden!) absolvierte, mal ähnelt er in seiner dezenten, akkuraten Tongebung Duško Gojković oder in seiner kalkulierten Attack Lee Morgan. Seine Spielwiese stammt jedoch klar aus dem 21. Jahrhundert, weshalb er auch seinen eigenen Ton sampelt und damit so manch lyrisches Intermezzo grundiert – was sich durchaus als eigene, faszinierende Kunstform erweist.

Am Schluss gibt es frenetische Bravo-Rufe für ein Ausnahmetalent, für das die Trompete weit mehr ist als nur ein Instrument. Jakob Bänsch sieht sie als kleines Werkzeug, das einem größeren Ganzen dient: der Musik.


Ohad Talmor „Back To The Land“ | 12.04.2025
Neuburger Rundschau | Ssirus W. Pakzad
 

Nachdem der legendäre Altsaxofonist Lee Konitz 2020 an den Folgen einer COVID-Infektion verstarb, arbeitete ein enger Vertrauter, der amerikanische Saxofonist und Komponist Ohad Talmor den üppigen und nicht sonderlich geordneten musikalischen Nachlass dieses Giganten auf. Bei der Sichtung der Hinterlassenschaften stieß er auf eine Reihe Tonbänder. Einige dieser Tapes enthielten Aufnahmen, die Konitz mit dem Jazz-Revolutionär Ornette Coleman eingespielt hatte. Die bislang unbekannten und nicht niedergeschriebenen Stücke aus der Feder Colemans transkribierte Ohad Talmor fein säuberlich, arrangierte das Material und spielte es im „Seeds“, seinem eigenen Club in Brooklyn, für ein Album ein, das erst nach juristischem Hickhack und mit reichlich Verzögerung veröffentlicht werden durfte.

Was sich auf der CD „Back To The Land“ (Intakt Records) findet, führte Ohad Talmor während eines berauschenden Konzerts im Neuburger Birdland auf. Er und seine vier Mitstreiter zelebrierten die typischen, sehr sanglichen Coleman-Themen in zwei langen Medleys, die alles zu bieten hatten, was guten Jazz ausmachen sollte: die dramaturgisch klug angelegte, auf und ab wogende Musik swingte wie verrückt, zitierte listig, war auf Abenteuer aus, blieb zwei Sets lang unberechenbar und lebte von Gegensätzen, die sich magisch anzogen. Freiheitsdrang mündete im Formbewusstsein, Wildes, Draufgängerisches und berührend Zartes wechselten sich ab.

Spannend war der Abend im Birdland auch deshalb, weil der sehr ausdrucksstark und doch so kontrolliert spielende Talmor in seinem Quintett Instrumentalisten versammelt hatte, die zwar ähnlich ticken, aber ganz unterschiedliche Temperamente besitzen: der kubanische Pianist David Virelles stanzt wüste Cluster in die Tastatur des Bösendorfers, nutzt Wischtechniken, bei denen die Handflächen auch mal nach oben zeigen und sprenkelt Töne wie Jackson Pollock Farben. Einmal lässt er afro-kubanische Rhythmen tänzeln, die dann fast übergangslos in abstrakte Akkordfolgen übergehen. Joel Ross, mit 30 Jahren der Junior in der Band, konnte eindrucksvoll zeigen, warum viele Kritiker ihn für den begabtesten Vibrafonisten seiner Generation halten und ihm darüber hinaus zutrauen, später mal eine Ikone des Jazz zu werden. Dieser Mann mit der Wollmütze und den langen Dreadlocks hat ein wirklich einzigartiges Zeitgefühl, setzt Pausen wie niemand sonst, fällt mit einem ausgeprägten Instinkt für ungewöhnliche aber sehr effektive Betonungen auf und holt mit seinen zwei Schlegeln mehr aus seinem Instruments heraus als viele seiner Kollegen mit vier Klöppeln.

Ornette Coleman propagierte einst, dass jeder Spieler eines Ensembles gleichzeitig für die harmonischen, rhythmischen und melodischen Komponenten der Musik verantwortlich sein sollte, dass es keine klassischen Rollenaufteilungen mehr gibt, dass jeder parallel Solist und Begleiter ist. Weil Ohad Talmor, David Virelles, Joel Ross, der Bassist Chris Tordini und der Schlagzeuger Eric McPherson dieses Prinzip so konsequent beherzigen, bekommt ihre Musik im Konzert einen unwiderstehlichen Drall, ist sie permanent in Bewegung.

Wer weiß, vielleicht haben Ornette Coleman und Lee Konitz, der immer wieder im Birdland zu Gast war, auf ihren Wolken das Konzert im Club ja via Himmels-Livestream verfolgt. Es sollte sie glücklich gemacht haben, was da auf Erden, in Neuburg an der Donau, mit ihrem musikalischen Erbe passiert ist.


Ohad Talmor „Back To The Land“ | 12.04.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Im Nachlass des legen­dären Altsaxofonisten Lee Konitz fand Ohad Talmor nach dessen Tod 2020 bis­her unveröffentlichte Aufnahmen, auf denen jener zusammen mit Ornette Cole­man – ebenso Freigeist wie Konitz selbst – zu hören ist. Talmor hat diesen Fund transkribiert, ihm Variationen und eigene Stücke hinzugefügt und stellt das Ergeb­nis seit nunmehr drei Jahren bei passen­den Gelegenheiten an geeigneten Orten immer wieder mal vor. Für dieses Vorha­ben scheint kaum ein Ort mehr in Frage zu kommen als der Birdland-Jazzclub in Neuburg, wo beide, Konitz und Talmor, kurz nach der Jahrtausendwende sogar selbst einmal zusammen aufgetreten sind.

„Wir machen das so wie es Coleman gemacht hätte“, sagt Talmor gleich zu Beginn. „Einfach anfangen und ohne Stopps durchspielen. Ich schätze mal, es wird so um die 45 Minuten dauern.“ Dann öffnen Talmor mit seinem Tenorsa­xofon, Chris Tordini am Kontrabass, Eric McPherson am Schlagzeug, Joel Ross am Vibraphon und der sensationel­le David Virelles am Flügel die Schatz­truhe, entwickeln aus deren überliefer­tem Inhalt einen magischen Sud, ein bro­delndes Gebräu aus aufsteigenden The­menfetzen, sich scheinbar zufällig entwi­ckelnden Melodien, die, nachdem man gerade dabei war, sich von ihnen verzau­bern zu lassen, wieder verschluckt wer­den, abtauchen und verklingen. Dieser erste Block – und auch der zweite nach der Pause – enthält sphärische Passagen neben rasenden Arpeggios, vom Pianis­ten eruptionsgleich aufgetürmte Tonhau­fen, die sich wundersam auflösen, wäh­rend die Band forsch vorprescht, sich treiben lässt oder sich akustisch fast auf­löst und nur noch ein mächtiger Bass­berg stehen bleibt, um die nächste Se­quenz vorzubereiten.

Die einzelnen Teile der beiden Blöcke stehen untereinander in Verbindung, mit­unter werden rote Fäden hörbar. Die Mu­sik, die scheinbar völlig spontan entsteht, folgt einem vorher festgelegten Ablauf­plan, die sich daraus ergebenden Räume werden vom Solisten nach individuellen Vorstellungen gefüllt. Das bedeutet aber nicht, dass jeder tun kann was er will. Im Gegenteil, man kann sehr gut beobach­ten, wie das Quintett funktioniert, wie ei­ner auf den anderen hört, die Ideen der Partner zu seinen eigenen macht, mit ih­nen spielt, sie transformiert, variiert und weitergibt. Und weil das Ganze ein hochenergetischer Prozess ist und man es hier mit exzellenten Musikern zu tun hat, denen hinsichtlich der Dynamik, der Gestaltung von Spannungsbögen und der Möglichkeiten der Interaktion keiner et­was vormachen kann, gibt es im Laufe des Abends immer wieder Situationen, in denen man meint, in einen Malstrom aus Wirbeln und Spiralen hineingezogen zu werden, was anfangs auf manches Ohr im voll besetzten Birdland vielleicht et­was ungewöhnlich wirken mag, recht bald aber für wohlige Schauer sorgt.

Und dass sich schließlich im Erbe der Herren Coleman und Konitz schließlich dank der Neugier, der unermüdlichen Spurensuche und des Bearbeitungsge­schicks Talmor’s auch noch Spuren von Dewey Redman, Herbie Mann, Billy Higgins und Charlie Haden wiederfin­den, ist das Zuckerl obendrauf. Zwei Säulenheilige des Jazz, deren bislang verschollenen Schätze und eine Band, die geradezu prädestiniert ist, sie zu he­ben. – Was will man mehr?


A Tribute To Duško Gojković | 11.04.2025
Donaukurier | Karl Leitner
 

Seine Freunde nannten ihn seiner montenegrinischen Herkunft wegen „Dušan aus Mladost“, im Pass stand Duško Gojković. Der Trompeter, der in New York zu internationalem Ruhm gelangte und sich später in München niederließ, verstarb am 5. April 2023 mit 91 Jahren. Zu kaum einem anderen Club hatte er eine derart starke Verbindung wie zum Birdland in Neuburg.

Am 1. Februar 1991 gab er das erste Konzert in den damals gerade renovierten Räumen unter der ehemaligen Hof-apotheke. Der Raum war fertig hergerichtet, aber keiner wusste, ob sich das Gewölbe auch in akustischer Hinsicht für Live-Jazz eignen würde. Gojković und seine Band überprüften den Keller auf seine Tauglichkeit und was daraus geworden ist, kann man bis heute an jedem Wochenende nachprüfen. Anschließend eröffnete er persönlich über viele Jahre hinweg regelmäßig im Herbst die Konzertsaison im Birdland und auch seine beiden in Neuburg aufgenommenen Alben „Live At Birdland“ und „Re:Bop“ zeigen seine Verbundenheit mit der Stadt an der Donau.

Darum geht es bei dem Konzert des Trompeters Daniel Nösig, des Pianisten Oliver Kent, des Kontrabassisten Danny Ziemann, des Schlagzeugers Vladimir Kostadinovic und von Oliver Marec (Altsaxofon, Flöte) zwar auch, aber auch um eine gemeinsame Verbeugung vor und herzliche Grüße an einen guten Freund und Lehrmeister ziemlich genau an dessen zweitem Todestag. Gojković war bekannt für seinen einzigartigen, strahlenden Ton und seine Art, mit Balladen umzugehen, war schlicht sensationell. Daniel Nösig, der als Trompeter an diesem Abend natürlich vor einer ganz besonderen Herausforderung steht, macht nicht den Fehler, Gojković zu kopieren – was ja sowieso unmöglich wäre – sondern ihm nachzufolgen, ihn zu würdigen, sich von ihm inspirieren zu lassen, aber dabei trotzdem er selbst zu bleiben. Das ist gut so, denn bei auch bei Gojković selbst gab es nie einen Star, den es herauszuheben galt, sondern immer war ihm die komplette Band wichtig. Und so stehen Trompete, Saxofon und Piano an diesem Abend gleichberechtigt nebeneinander und verweisen nicht nur auf den Solisten, sondern vor allem auf den Komponisten Gojković, indem sie dessen „Ballad For Miles“, „Danca Conmigo“, „The Night Of Skopje“ und „Boptown“ spielen. Was für tolle Stücke! Wie lange hat man sie nicht gehört! Wie schön, dass diese Band sie wieder ans Licht holt. Und zu aller Überraschung ziehen Marac mit „Starting Point“ und der linkshändig spielende Kostadinovic mit „Parents‘ Arms“ und „Balkan Flood“ auch noch eigenes erstklassiges Material aus dem Köcher, zu dem sicherlich auch Gojković, hätte er es gehört, noch etliche seiner genialen Chorusse eingefallen wären.

In der Zugabe, bei „I Fall In Love So Easily“, mit dem auch Gojković gerne seine Konzerte beendete, kommt die Band dem von ihr Geehrten absolut nahe. Man hat fast den Eindruck, als wäre „Dušan aus Mladost“ tatsächlich anwesend, so wie man ihn kannte. Als echter Gentleman, der nicht viele Worte macht, weil er mit Tönen alles Notwendige sagen kann. Als älterer Herr mit einem Lächeln im Gesicht, mit dem er seine Anerkennung ausdrückt für die Leistung der Musiker in seinem Umfeld. An diesem Abend im Birdland hätte er in der Tat allen Grund dazu gehabt.