Wollny – Kruse – Schäfer | 28.10.2005

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Sie sind die Shooting Stars des „Young German Jazz“, Michael Wollny, Eva Kruse und Eric Schaefer, kurz [em]. Mit „Call It“ präsentierten sie vor Jahresfrist eine Debüt-CD, die es in der nationalen und internationalen Presse zu höchster Anerkennung brachte. Nun stellten sich die Drei beim Tommy Flanagan Tribut im Neuburger Birdland live vor: Differenzierte improvisierte Musik, welche die Vorschusslorbeeren weidlichst rechtfertigt.

Takt- und Tempowechsel, stille Momente und hektische Parforcejagden, Nachlauschen und Atemlosigkeit, Klassisches, Jazziges, Avantgardistisches. Da ist Eric Schaefer, einer der gefragtesten und aktivsten Drummer der Hauptstadt, spielt sein Schlagzeug nicht allein als Dauergroove gebendes Rhythmusinstrument, reizt auch die melodischen Möglichkeiten von Trommeln und Becken, Glocken, Gongs und Schellen aus, setzt Impulse und Akzente, gibt Gas, mischt auf, unablässig in Bewegung: „Phlegma Fighter“. Da ist Eva Kruse am Bass, die die beiden anderen einander vorgestellt hat vor zwei Jahren, auch musikalisch das Bindeglied zwischen zwei wie manisch agierenden Powerplayern, baut die Brücken, führt und hält zusammen, was zusammengehört und ohne sie unweigerlich die Stabilität verlöre, konzentriert und immer mit dem Ohr den entscheidenden Tick voraus um zu erahnen, was passiert: „Moving“! Und da ist Michael Wollny, pianistischer Hoffnungsträger des deutschen Jazz, der im Birdland schon zu erleben war im Trio von Heinz Sauer, dem eigenwilligen Granden der Frankfurter Szene, sprudelt nur so über, taucht tief ein in seine Musik. Wollny ist bei aller Tücke der Arrangements kein distanzierter Analytiker, sondern einer, der kopfüber hinein springt in den Sog der Möglichkeiten der 88 Tasten und 264 Saiten, der wahre Strudel erzeugt und sich mitreißen lässt von ihnen, nie unkontrolliert freilich, dazu ist er – auch technisch – einfach zu gut. Sein Spiel verfügt über jede Menge Varianten und Nuancen inmitten der „Walpurgisnacht“, bleibt dabei immer klar erkennbar in einem Sound, der mehr aus den Quellen des Cool Jazz schöpft als aus dem hitzigen Temperament des Bebop. Solcher Gedanke sollte jedoch nicht dazu verführen, irgendwelche assoziativen Rückwärtsgänge einzulegen, bei allem Bezug zu Gustav Mahler auf der einen und Jimmy Giuffre auf der anderen Seite. Zu sehr geht der Blick nach vorn bei [em], zu intensiv das Temperament nach außen, zu rasant ist die Schnittfolge der Ideen, Splitter, Bilder. Die Drei auf der Bühne senken den Altersdurchschnitt im Keller erheblich. Die junge Generation ist am Drücker, mit Tempo, Drive und Energie auf unbeirrtem Weg.