Wolfgang Schlüter Quartet | 02.12.2011

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Mühsam tastet er sich zur Bühne vor, steht hinter dem Vibraphon wie ein erratischer Block, beginnt dann zu spielen, wie ein Wunder zu swingen und zu schweben. Wolfgang Schlüter, echtes Urgestein des deutschen Jazz, erstaunliche 80 Jahre jung, ist seiner großen musikalischen Liebe, dem Swing, seit über 6 Jahrzehnten treu, legt dabei schon immer wert darauf, up to date zusein, elegante, anspruchsvolle, bewegende, befreiende Musik zu machen. Bis heute kostet er den Spirit jener jungen Jahre aus, als der vormalig als Negermusik verhöhnte Jazz in Deutschland wirkte wie eine frische Brise der Freiheit, Individualität vermittelte statt Gleichschaltung, leichten swing statt hartem Tritt, frische Luft statt braunem Muff, friedfertiges Miteinander im losen Band der Band statt ein Lied, zwo drei vier: „It’s You Or No One“.

Dass er nicht beim Jazz jener frühen Jahre blieb, tritt unmittelbar hervor mit „Al Haba“, einer eigenen Komposition, die sich nicht zuletzt auch Dank der Beiträge seiner exquisiten Bandmitglieder weit hinaus begibt auf die weiten Felder improvisatorischer Kreativität. Gleiches gilt für eine Hommage an Thelonious Monk, jenen quer denkenden, kantigen Genius der Gründerzeit des Bebop. Neben dem förmlich über die Klangstäbe wirbelnden Schlüter nimmt vor allem der erfrischend aufspielende Boris Netsvetaev am Bösendorfer den Geist des großen Individualisten Monk auf, fegt förmlich um Ecken und Kanten durch metrische Tücken und harmonische Raffinessen. In einer dem Dichter Peter Rühmkorff zugeeigneten Ballade löst sich aus einem Intro mit fast Rachmaninoffschem Pathos eine feine, leise, wunderbar weich swingende Melodielinie von liebevoller, lyrischer Wärme.

Dezent dazu die Besen von Drummer Kai Bussenius, der an anderer Stelle ganz schön Temperament zeigt, und der wohlige, äußerst wendige Bass von Philip Stehen. Wieselflinker Bebop dann wieder mir dem Klassiker „Donna Lee“: Da ist Schlüter ganz nah an den Wurzeln seiner Entwicklung, nicht ohne wiederum zu zeigen, dass er auch ganz nah an der Moderne sein kann, wobei hier die „Crazy Familiy“ des Begleittrios mehr und mehr in die Offensive geht. Der Altmeister – ehedem Professor an der Musikhochschule Hamburg – nimmt mit offenkundigem Vergnügen Anteil an der Reife seiner Schüler, steuert seinerseits blitzgeschwinde Soli bei und entfaltet dazu seine eigenen lyrischen „Visionen“, dem Jungbrunnen entstiegen im schöpferischen Fluss der Ereignisse.