„Never Stop Playing!“ heißt sein aktuelles Projekt. „Hör nie auf zu spielen!“ ist seine Devise. Auch dann nicht, wenn gerade Lockdown ist und sich Bands nicht zum Proben treffen dürfen. Dann macht man eben alleine Musik. Für die Zeit danach. Und so kommt es, dass das Publikum im Birdland Jazzclub in Neuburg an diesem Abend viele Stücke hört, die der Vibraphonist Wolfgang Lackerschmid in der Zeit der Pandemie geschrieben hat.
Gott sei Dank sind jene Jahre, in denen Ausgangssperren und Kontaktverbote das öffentliche Leben zum Erliegen brachten, erst einmal vorbei, Lackerschmid hat mit dem Schlagzeuger Samuel Dühsler und dem Kontrabassisten Bänz Oester aus Basel sowie der Pianistin Myslaure Augustin aus Strasbourg eine eigene, großartige Band am Start und das Birdland-Gewölbe ist gefüllt bis auf den letzten Platz. Lackerschmid ist dort immer wieder zu Gast, immer wieder mit anderen Kollegen, immer wieder mit anderer Musik. Wobei eines freilich stets gleich bleibt, seine Handschrift als Komponist und Musiker nämlich, die immer für Ausgeglichenheit und Wohlklang steht, ganz gleich, ob es rasant zur Sache geht wie an diesem Abend bei dem fröhlichen „Shoe It Yourself“ und bei dem auf wunderbare Harmonien gebetteten „Impressions“ oder bei den Balladen, dem bereits 1975 entstandenen „Hundert Luftballons“ oder dem aus einem seiner Chorwerke extrahierten „Forever“.
Fast hinter jedem Stück steckt eine Geschichte. „At The Park“ beispielsweise ist quasi illegal entstanden, wie Lackerschmid erklärt. „Es war nach 21 Uhr und keiner durfte draußen sein. Da ist mir auf einem Spaziergang diese Melodie eingefallen.“ Eine seiner Kompositionen ist der israelitischen Künstlerin Ilana Goor gewidmet, eine andere basiert auf einem alpenländischen Rundgesang, wieder eine andere mit demTitel „Toyful Toyful“ entstand bei einer Spielerei mit einer Kinderrassel. Ja, Lackerschmid ist immer für eine Überraschung gut. Das gleiche gilt aber auch für seine Band. Sie wäre auch ohne ihn nicht nur funktionstüchtig, sondern überragend, was sie immer dann beweist, wenn ihr Chef sich bewusst zurücknimmt und ihr Raum gibt. Angestachelt von Augustin und ihrem extravaganten, respektlosen, waghalsigen Spiel, das geradezu überquillt mit Linien, die den Rahmen des Üblichen lustvoll sprengen, treibt sie den von Lackerschmid umgeschriebenen Standard „Just Lovers“ in Richtung Avantgarde und zerlegt das erwähnte „Toyful Toyful“ genüsslich in seine Einzelteile. Es gibt Phasen an diesem Abend, da ist die Band der Star und Lackerschmid als souveräner Leader hat überhaupt nichts dagegen.
Theater- und Filmmusik, Soundtracks und Orchesterwerke, Musik für Chöre, zahlreiche eigene Alben und die Leitung verschiedener Bands – fürwahr, der Mann ist gut beschäftigt und verfügt über ein riesiges Repertoire, mit dem er zig Konzerte gestalten könnte. In Neuburg steht er zwei Stunden auf der Bühne und jede einzelne Sekunde ist ein Genuss. Er wird wieder kommen, das ist sicher. Als Augsburger hat er es ja nicht weit. Und wird dann wieder anders klingen als diesmal. Das zeigt die Erfahrung. Eines aber wird sich nicht ändern. Es wird vermutlich wieder großartig sein. Wie so vieles, was er angepackt und in regelmäßigen Abständen im Birdland live vorstellt.