Virginia MacDonald aus Toronto, Kanada, ist eine der talentiertesten jungen Klarinettistinnen des nordamerikanischen Jazz, ist auf mehr als 20 Alben zu hören und kurz davor, vollends durchzustarten. Bevor es endgültig dazu kommt, wollte sie aber unbedingt noch auf eine Tournee durch Europa gehen. Und genau hier kommt der Schlagzeuger Bernd Reiter ins Spiel, der aus der Steiermark kommt, sich aber in New York, in Paris und im deutschsprachigen Raum ein dichtes Netzwerk aufgebaut hat und der ideale Mann dafür ist, für seine Kollegin aus Übersee eine Tournee zu planen, Musiker einzuladen, die musikalisch wie menschlich zusammenpassen, Clubs und Festivals zu buchen, seine Beziehungen spielen zu lassen.
Das Konzert im Neuburger Birdland, in dem Reiter seit einigen Jahren schon quasi zum Inventar gehört, ist das vierte von insgesamt 15 auf dieser Tour des Quintetts, zu dem neben Mac Donald und ihm selber noch der Pianist Oliver Kent aus Wien, der Kontrabassist Rudi Engel aus Würzburg und Joe Magnarelli aus New York City an der Trompete und am Flügelhorn gehören, und zeigt zwar eine Band, die erst seit kurzem in dieser Form besteht und sich folglich auch erst seit kurzem mit diesem speziellen Repertoire beschäftigt, sich aber längst gefunden hat. Da gibt es vom ersten Ton des Dave Brubeck-Klassikers „In Your Own Sweet Way“, mit dem das Konzert eröffnet wird, kein Gewackel, keinerlei Unsicherheiten, kein Abtasten. Die Band swingt von ersten Takt an, was das Zeug hält, und das wird sich auch den ganzen Abend über nicht ändern, nicht bei Tom Harrell’s – dessen Portrait passenderwei-se gleich rechts neben der Bühne und neben dem Brubeck’s an der Wand hängt – „Sail Away“, noch bei Tom McIntosh’s „Cup Bearers“ und auch nicht bei Billy Strayhorn’s „Isfahan“ nach der Pause.
Eine Klarinette neben einer Trompete gibt es im traditionellen Jazz durchaus öfter, alltäglich ist diese Kombination aber heute nicht mehr. Hier funktioniert sie prächtig, weil MacDonald ihr Instrument vom Ansatz her eher nach Art eines Tenorsaxofonisten spielt. Die Themen von Kenny Dorham’s „Lotus Blossom“ und Edward Redding’s „The End Of A Love Affair“ in dieser Soundvariante zu hören, ist durchaus spannend. Dass alle beteiligten großartige Solisten sind, ist offensichtlich. Von MacDonald und Magnarelli weiß man das schon länger, denn beide sind ja an diesem Abend nicht zum ersten Mal im Birdland zu Gast. Genausowenig wie Kent am Piano, der leider immer nur als Sideman nach Neuburg kommt, Engel als ruhender Pol im Hintergrund und Reiter, laut Magnarelli „One of the hardest working men in Jazz“, geben auf eindrucksvolle Weise ihre Visitenkarten als Improvisatoren ab.
Das Publikum ist hingerissen. Der Swing-Groove hinterlässt seine Spuren und jede einzelne Nummer ist geradezu prädestiniert dafür, der Zuhörerschaft das Gefühl der Vertrautheit zu vermitteln und es gleichzeitig neugierig zu machen auf das, was solistisch passiert. Gut, dass die Jazzfans aus der Region Virginia MacDonald noch einmal im intimen Rahmen des Birdland Jazzclubs sehen und hören konnten, gut dass Reiter die Tour organisiert hat, gut dass der Club ausverkauft war. Wer weiß, ob das in dieser Form noch möglich ist, wenn sie erst einmal große Hallen füllt. Womit man rechnen muss.