Giovanni Weiss – Martin Taylor | 23.05.2025

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Zwei halbakustische Gitarren und zwei Großmeister dieses Instruments auf der kleinen Bühne des Birdland Jazzclub: Mehr als zwölf Saiten und 20 einsatzfähige Finger haben Giovanni Weiß und Martin Taylor nicht aufzubieten. Für das am Ende restlos begeisterte Publikum im Gewölbekeller mitten in Neuburgs Altstadt entstand an diesem Abend aber oft der Eindruck, als wären da – sagen wir – 30 Saiten und 50 Finger im Einsatz.

Anders gesagt, wer die Augen bei dieser Musik zum Zwecke des intensiveren Zuhörens eine Weilchen schließt, der meint oft, da wäre ein ganzes Gitarrenorchester am Werk. So reich an Klängen, Farben, Rhythmen, melodischen Überraschungen der kreativsten Sorte bis hin zu musikalischen Elementen, die an ein sanft gespieltes Schlagzeug oder einen sonoren Bass denken lassen, ist dieser Gypsy-Swing. Er steht in der Tradition des großen Django Reinhardt, und er geht mit viel Mut und musikalischem Witz zugleich darüber hinaus.

Rein fingertechnisch sind die zwei Gitarren-Virtuosen schlicht Weltspitze. Diese Grundvoraussetzung für ihre phantastische Performance ist aber auch in den wildesten Passagen kein eitler Selbstzwecke. Hier geht es nicht nach dem Motto, möglichst viele einzelne Töne in möglichst kurzer Zeit unterzubringen oder darum, ein Motiv aus der Latin-Welt besonders rasant in Szene zu setzen. Das virtuose Element dient einer größeren musikalischen Idee.

In den langen, von sprühendem Gedanken-Überschuss traumwandlerischer Improvisations-Sicherheit geprägten Eigenkompositionen wird diese Qualität fast körperlich spürbar. „Just friends“ oder „I can’t give you anything …“. solche Titel fächern eine Welt der musikalischen Sonderklasse auf. Innige, mit leichtem Gestus empfundene und nur scheinbar einfache Melodien gehen in manchmal herrlich schräge, dann wieder fast verführerisch süffige Akkordwelten über, auf einem durchlaufenden flotten 16tel- oder 32stel-Fundament schweben rhythmisch und dynamisch ausgefeilte Kontrast-Welten im Raum.

Und das alles in einer Intensität ohne forcierte Akzente, mit feinem Gefühl technisch verstärkt. Giovanni Weiß und Martin Tylor verzichten auf schrille Effekte und Vibrato-Gags, die das an vielen Stellen kammermusikalisch anmutende Gesamtprodukt nur unangemessen aufmotzen würden.

Weiß kündigt mehrmals „gewaltige Soli“ seines Partners Martin Taylor an und bedankt sich schon im voraus fast überschwänglich („wegen dieser Soli habe ich die Tour überhaupt gemacht“). Der Begriff „gewaltig“ mag für eine so feine musikalische Welt gewagt sein, aber er trifft den Kern. An diesem Freitag im Birdland-Keller zeigen beide Gitarristen die unheimliche Kraft, den hinreißenden Charme, und damit auch die gewaltige musikalische Stärke zweier Instrumente und zweier hochmusikalischer Könner.. Sie haben wirklich nur 20 Finger und zwölf Saiten zur Verfügung, auch wenn es oft nach viel mehr klingt.h