Giovanni Weiss – Martin Taylor | 23.05.2025

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der eine gilt in Fach­kreisen als einer der besten Fingerstyle-Gitarristen weltweit. Martin Taylor, 1956 in der britischen Grafschaft Essex zur Welt gekommen, war Teil der Bands von Stéphane Grapelli und Ex-Stone Bill Wyman wie auch Sideman bei Eric Clapton und Steve Howe und spielte auch unter Yehudi Menuhin. Der andere gehört einer Familie an, die viele großar­tige Musiker hervorgebracht hat und ohne die die Szene des Gypsy Jazz nicht denkbar wäre. Gitarrist Giovanni Weiss, Jahrgang 1980, kommt aus Hamburg und ist an diesem Abend im Birdland Taylor’s Partner.

Mit den beiden scheinen sich im wahrs­tem Sinne des Wortes zwei gefunden zu haben, die perfekt zusammen passen und sich ergänzen, die dafür sorgen, dass die Luft im Club unter der ehemaligen Hofapotheke brennt und die Saiten glü­hen, so dass man meinen könnte, dieses Duo existierte schon ewig, obwohl mit den beiden doch zwei Generationen, mit Finger- und Flatpicking zwei Spielarten und nicht zuletzt zwei unterschiedliche Biografien aufeinander treffen. Und sie müssen dabei nicht einmal auf den er­wartbaren gemeinsamen Nenner zurück­greifen, auf das Erbe Django Reinhardt’s und Stéphane Grapelli’s nämlich. Sie streifen es zwar am Rande und in der Zugabe mit Grapelli’s „Manoir De Mes Reves“, das Hauptaugenmerk aber liegt auf den Duo-Interpretationen bekannter Klassiker wie Kenny Dorham’s „Blue Bossa“, Erroll Garner’s „Misty“ und Evergreens wie „Just Friends“ und „I Can’t Give You Anything But Love“.

Wer nun denkt, so bekannte Stücke wie diese böten nichts Neues mehr, täuscht sich gewaltig, denn Taylor’s und Weiss‘ Zugriff auf sie ist nicht der übliche und standardisierte, sondern ein ganz speziel­ler, das der Duo-Situation, in der im bes­ten Falle – und der liegt hier zweifelsoh­ne vor – die beiden Partner miteinander verschmelzen und doch ihre Eigenheiten nicht aufgeben. Wie selbstverständlich und gleichzeitig perfekt in diesem Fall Soli und Begleitung, Single Notes und Akkorde, flirrende Läufe und kräftige Grooves ineinander übergehen, muss man mit eigenen Ohren gehört haben.

Die zweite Besonderheit sind Taylor’s Solostücke, zum Beispiel „Just Once“ vor der Pause. Hier zeigt er sich als über jeden Zweifel erhabener Filigrantechni­ker, als sensibler Lyriker, als genialer Komponist, als höchst kreativer Improvi­sator und an manchen Stellen gar als eine Art Ein-Mann-Orchester. Während Weiss, dessen Spiel einen Tick direkter ist als das Taylor’s, gerne zugibt, sich seine Ideen auch mal in gypsy-ferneren Zonen des Jazz oder im Pop zu holen. Einzeln sich sie überragend, im Duo, in dem man sich keine Nachlässigkeiten und Unkonzentriertheiten erlauben darf, in dem die Spannung zwischen den Part­nern spür- , ja, greifbar wird, sind sie eine Macht. Natürlich gehört bei beiden hin und wieder auch mal ein rasanter Lauf dazu, das Entscheidende an diesem Abend aber ist nicht die Geschwindig­keit, sondern die Intensität, mit der sie die Setlist „abarbeiten“. Erst im März diesen Jahren gastierte Martin Taylor im Birdland, damals zusammen mit Sandro Roy, aber Birdland-Chef Manfred Rehm verpflichtete ihn sofort erneut, weil er sich eine Granate wie ihn, noch dazu in verändertem Format mit Weiss, natürlich nicht entgehen lässt, wenn er schon mal greifbar ist. Ein ausverkauftes Haus, zwei Zugaben und ein begeistertes Publi­kum sind die logische Konsequenz.