Chansons und Texte von und über Georg Kreisler | 22.05.2025
In seinen Liedern ließ er Tauben vergiften, Kinder zertrampeln und Atomkraftwerke explodieren. Georg Kreisler war der eigenwilligste und abgedrehteste Liedermacher, den es je gab, mit kabarettistischen Songs voller Witz und Tücke, grausam, grenzenlos, gemein und genial. Manchmal gab es bei ihm bloß surrealistische Wortspiele, manchmal lieferte er Trauriges wie in „Mein kleines Mädele“, manchmal Nachdenkliches bei „Das Mädchen mit den blauen Augen“, Bitterböses oder herrlich Durchgeknalltes. Auch politische Lieder hat der Österreicher in den 1960er und 1970er Jahren geschrieben, nicht selten mündeten sie in herbeifantasierte Revolten oder Blutbäder. Wenn er sang, hämmerten seine Finger mit enormer Virtuosität auf das Piano ein – auf Tonträgern kann man das selbst 14 Jahren nach seinem Tod immer noch bewundern. Und bisweilen sogar beim Theaterverein Schrobenhausen, denn dort hat Kreisler-Fan Georg Berger zusammen mit einigen Gleichgesinnten ein höchst vergnügliches, launiges Programm in Erinnerung an den österreichischen Chansonier zusammengestellt, das die Sangesbrüder und -schwestern nun quasi als Premiere auch in Neuburg im gut besuchten Birdland-Jazzclub präsentieren.
Berger kennt den Weg von der Lenbachstadt durch das Donaumoos Richtung Donau ganz genau, schließlich durchmaß er ihn drei Jahrzehnte lang nahezu täglich, um zur Arbeit als Richter am Neuburger Amtsgericht zu gelangen. Inzwischen ist einer der ersten „Landkreis-Kosmopoliten“ fast 70, Zweiter Bürgermeister von Schrobenhausen, immer noch gerne engagierter Zauberer, Vorsitzender des Theatervereins Schrobenhausen und in letzterer Eigenschaft ein bislang offenbar unentdecktes Vokaltalent. Der kunstsinnige Jurist und Kommunalpolitiker übernimmt beim außerplanmäßigen Gastspiel im Hofapothekenkeller das Gros der Gesangsparts, er lebt „seinen“ Kreisler spürbar mit jeder Silbe und Faser seines Körpers. Gleich zu Beginn im Jazztempel der Nachbarstadt kredenzt Berger den Ohrwurm per se, den sein Vorbild einst mit dem harmlos anmutenden Titel „Frühlingslied“ überschrieb, in dem es aber den armen Täubchen mithilfe von Arsen oder Zyankali, das liebevoll auf ein Scherzel Brot gestreut wird, an den Kragen geht. Alles hat der pensionierte Richter im Kopf, er braucht keine Vorlage, selbst das völlig abgedrehte englisch-deutsche Kauderwelsch von „Frikashta Sni“ sprudelt aus seinem Mund, als wärʼs sein eigenes Gedankenkonstrukt: „Dumbasso notorious and so to bed. A grish ban dish ban pitto pratto vodka. A rungaleiter gruppenweiter shut-up.“
Dass Kreisler aber nicht nur ein Gaudibursch mit sadistischen Neigungen war, sondern oft mit klugen politischen Texten den Finger in zeitlose Wunden legte, belegt unter anderem „Der Hund“, das 1976 entstand: „Am besten is, die Russen bleibn woʼs grad stehn. Und die Chinesen bleibn in China, dort isʼs schen! Denn so ein Kriag ist doch auf kaan Foll gsund. Mir kannʼs ja wurscht sein, aber sagnʼs, was macht mein Hund?“ Dass Georg Berger und seine singenden Mitstreiter Uwe Pojda, Helmut Fischer, Erwin Rabuser, Martha Trompler und Marianne Paul ihren Hang zu Detailversessenheit derart ausleben können, liegt auch an der Besetzung des Klavierparts. Mit dem Aichacher Arnold Fritzscher hat sich die Schrobenhausener Crew einen Pianisten geangelt, der die erst auf den zweiten Blick ziemlich fingerbrecherischen Kompositionen Kreisler auf dem Bösendorfer-Flügel ebenso emphatisch begleitend wie eigenständig virtuos interpretiert.
Und Berger und Co. haben sicht- und hörbar Spaß an ihrem Tun, setzen (was bei Kreisler wichtig ist!) fast überall die richtigen Betonungen, etwa im frotzeligen „Was für ein Ticker ist der Politiker“, bei dem der Chor unschuldig lächelnd fragt: „Ist er wirklich so vonnöten, wie er glaubt?“. Sie erwecken das Schmählied auf die Ruhrpott-Metropole „Gelsenkirchen“ noch einmal zu kohlebestäubtem Leben, besingen liebevoll den „Guden oiden Franz“, während Georg Berger die „Telefonbuchpolka“ mit all „seine Freind“ herunterrattert, die in Wien unter dem Buchstaben V zu finden sind: „Vondrak, Vortel, Viplaschil, Voytech, Vozzek, Vimladil, Viora, Vrabel, Vrtilek…“ Wie gesagt: Alles auswendig! Nicht nur dafür gibt es am Schluss langanhaltenden Applaus und völlig zurecht verdiente Bravo-Rufe!