Immer wieder fasziniert die Vielfalt des Jazz, immer wieder auch die Erkenntnis, dass bereits der Old Time Jazz im Kern alle Ingredienzien enthielt, die sich immer weiter differenzierten in die heutige Zeit hinein. So ist es nicht nur von musealer Ergötzung, sondern darüber hinaus von erklecklichem Unterhaltungswert, wenn eine Band zu hören ist, die sich dem prämodernen Jazz mit Haut und Haar verschrieben hat, wie es Tom Saunders und seine Kombattanten bei ihrem „Wild Bill Davison Legacy“-Tribut im Birdland unter Ohrenschein stellen.
Es gibt ja bis heute Auseinandersetzungen unter den Fans, ob der „wahre“ Jazz nun mit dem Bebop erst geboren wurde, oder ob die flatted fifth in Mintons Playhouse ihm den ersten Todesstoß versetzte. Welch unsinniger Disput! Wer Ohren hat und ein Herz für Musik, der wird der Moderne wie der guten alten Zeit das Ihre abzugewinnen wissen. So kann nur immer wieder schön geheißen werden, wenn wie im Falle des Projekts „Wild Bill Davison Legacy“ sechs von im Alter eher arrivierten Herren bis zum Jungspund sich zusammentun in der Liebe zum Old Time Swing. Und die Mannen um Tom Saunders zeigten sich als so quicklebendige wie treue Sachwalter des überkommenen Erbes des wilden Bill. Der hatte seinerseits von den 20ern an seinen eigenen Entwurf der Jazztrompete bzw. des Kornetts in die Welt gesetzt, ein humorvoller, feuriger und lebensfroher Individualist und Zeitgenosse Louis Armstrongs, dem allerdings die große Karriere des Letzteren wohl hauptsächlich deshalb verwehrt blieb, weil er weniger Leader als begeisterter Spieler war.
Nun hat sich also ein fulminantes Sextett aus Kompagnions, jüngeren Zeitgenossen und musikalischen Nachfahren aufgemacht, die good times aufleben zu lassen und auf Hochglanz zu polieren: Back home und blue again! Da sitzt also mit dem Schlagzeuger Bernard Flegar der jüngste Mitstreiter des Projekts hinter seiner Schießbude und freut sich am easy living der jazzigen Prämoderne mitsamt dem famosen Allan Vache an der Klarinette, dem quecksilbrigen Mike Goetz am Bösendorfer, dem kraftvoll energiegeladenen Bill Allred an der Posaune und dem agilen Isla Eckinger am Bass, alle vier anerkannte Meister ihres Fachs. Star des Abends freilich ist Tom Saunders, der jahrelang als musikalischer Zwilling an der Seite Davisons spielte, dem Kornett spritziges Profil verleiht und die Lebensfreude des Chicago-Stils vom Michigansee mit Instrument und Stimme ans Donauufer überträgt. Durchaus mehr als Nostalgie ist das, einfach deshalb, weil das Feeling locker swingender Musik zeitlos und über alle Richtungsstreitereien völlig erhaben ist.