Wenn sich ein Künstler ankündigt, der irgendetwas mit Gypsy Swing zu tun hat, kann man davon aus gehen, dass man als Konzertbesucher automatisch auch mit Django Reinhardt, dem Erfinder der einzigen, in den 1930-er Jahren von Europa ausgehenden, eigenständigen Spielweise des Jazz konfrontiert werden wird. Geradezu allgegenwärtig ist dessen Einfluss auf diese Nischenszene bis heute.
Bei Josef „Wawau“ Adler, der bereits als Kleinkind begann, Gitarre zu spielen, ist das genau so. An diesem Abend im Birdland, an dem er zusammen mit dem belgischen Geiger Alexandre Cavaliere, dem Kontrabassisten Joel Locher und dem Rhythmusgitarristen Hono Winterstein zu hören ist, ist der Einfluss Reinhardts wieder mal unüberhörbar und – nachdem Adler noch dazu erst vor kurzem ein Album mit dem Titel „Happy Birthday Django Reinhardt 110“ veröffentlicht hat – würde dem Publikum im ausverkauften Birdland-Gewölbe mal wieder eines dieser Konzerte bevorstehen, bei denen Reinhardt quasi indirekt mit auf der Bühne steht. So dachte man zumindest.
Diese Erwartungen erfüllen sich denn auch, aber als „das Übliche“ erweist sich der Abend keineswegs. Zuerst sind da Joel Locher, ein für Gypsy Swing-Verhältnisse erstaunlich offensiver Bassist mit einigen exzellenten Soli, und Hono Winterstein als personifiziertes Metronom. Diese beiden bilden die Basis, ohne die absolut nichts geht und zu der auch Adler selbst stößt, der sich als Chef des Quartetts keineswegs zu schade ist, sich mit rein rhythmischen Aufgaben zu beschäftigen. Das liegt an dem sensationellen Alexandre Cavaliere, dem Adler klugerweise ebenso viel Freiraum einräumt wie sich selbst. Der Mann ist die große Entdeckung nicht nur des Abends, sondern vieler Abende vieler Jahre zuvor mit Gypsy Swing gleich mit. Leichtfüßig, fast schwebend dreht er seine Pirouetten, schickt immer wieder höchst eigenwillige und kunstvoll geschmückte Figuren ins Rennen. Technisch perfekt und mit unglaublichem Esprit ist er der eigentliche Held des Abends. Noch dazu, nachdem Adler selbst zuerst mit einer akustischen Gitarre zu kämpfen hat, die sich permanent selbst verstimmt und nachher, als er auf ein elektrisch verstärktes Instrument ausweicht, dieses erst einmal in das akustische Bett seiner Kollegen einpassen muss. Gerade vor der Pause meint man zu spüren, dass er mit der Situation selbst nicht recht zufrieden ist.
Als das Problem behoben ist, ist er freilich brillant. Im Unterschied zu Cavaliere und dessen überaus melodischen, süffigen, stets nachvollziehbaren Soli ist er weit weniger leicht zu greifen. Denn immer wieder baut er Elemente des Bebop ein und liefert dadurch sein Markenzeichen mit ab, das ihn von vielen seiner Gypsy Swing-Kollegen unterscheidet. Die Kombination von Reinhardt und dem, was von Charlie Parker, Wes Montgomery und dem Modern Jazz kommt, macht ihn aus und hebt ihn ab vom überwiegenden Rest der Szene. Und eine waschechte Jam Session, zu der er seine Mitmusiker auf der Basis des Klassikers „Sunny“ kurz vor Schluss einlädt, kommt bei Konzerten aus dieser Sparte ja auch nicht allzu häufig vor. Gypsy Swing auf insgesamt 20 Saiten. – Nicht komplett anders als sonst üblich, aber ziemlich anders durchaus.