Wawau Adler Quartett | 26.01.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wenn sich ein Künstler ankündigt, der irgendetwas mit Gypsy Swing zu tun hat, kann man davon aus gehen, dass man als Konzertbesucher au­tomatisch auch mit Django Reinhardt, dem Erfinder der einzigen, in den 1930-er Jahren von Europa ausgehenden, ei­genständigen Spielweise des Jazz kon­frontiert werden wird. Geradezu allge­genwärtig ist dessen Einfluss auf diese Ni­schenszene bis heute.

Bei Josef „Wawau“ Adler, der bereits als Kleinkind begann, Gitarre zu spielen, ist das genau so. An diesem Abend im Birdland, an dem er zusammen mit dem belgischen Geiger Alexandre Cavaliere, dem Kontrabassisten Joel Locher und dem Rhythmusgitarristen Hono Winter­stein zu hören ist, ist der Einfluss Rein­hardts wieder mal unüberhörbar und – nachdem Adler noch dazu erst vor kurz­em ein Album mit dem Titel „Happy Birthday Django Reinhardt 110“ veröf­fentlicht hat – würde dem Publikum im ausverkauften Birdland-Gewölbe mal wieder eines dieser Konzerte bevorsteh­en, bei denen Reinhardt quasi indirekt mit auf der Bühne steht. So dachte man zu­mindest.

Diese Erwartungen erfüllen sich denn auch, aber als „das Übliche“ erweist sich der Abend keineswegs. Zuerst sind da Joel Locher, ein für Gypsy Swing-Ver­hältnisse erstaunlich offensiver Bassist mit einigen exzellenten Soli, und Hono Win­terstein als personifiziertes Metro­nom. Diese beiden bilden die Basis, ohne die absolut nichts geht und zu der auch Ad­ler selbst stößt, der sich als Chef des Quartetts keineswegs zu schade ist, sich mit rein rhythmischen Aufgaben zu be­schäftigen. Das liegt an dem sensatio­nellen Alexandre Cavaliere, dem Adler klu­gerweise ebenso viel Freiraum ein­räumt wie sich selbst. Der Mann ist die große Ent­deckung nicht nur des Abends, sondern vieler Abende vieler Jahre zuvor mit Gypsy Swing gleich mit. Leicht­füßig, fast schwebend dreht er sei­ne Pi­rouetten, schickt immer wieder höchst eigenwillige und kunstvoll geschmückte Figuren ins Rennen. Tech­nisch perfekt und mit unglaubli­chem Es­prit ist er der eigentliche Held des Abends. Noch dazu, nachdem Adler selbst zuerst mit einer akustischen Gitar­re zu kämpfen hat, die sich permanent selbst verstimmt und nachher, als er auf ein elektrisch ver­stärktes Instrument aus­weicht, dieses erst einmal in das akusti­sche Bett seiner Kollegen einpassen muss. Gerade vor der Pause meint man zu spüren, dass er mit der Situation selbst nicht recht zu­frieden ist.

Als das Problem behoben ist, ist er frei­lich brillant. Im Unterschied zu Cavalie­re und dessen überaus melodischen, süf­figen, stets nachvollziehbaren Soli ist er weit weniger leicht zu greifen. Denn im­mer wieder baut er Elemente des Bebop ein und liefert dadurch sein Markenzei­chen mit ab, das ihn von vielen seiner Gypsy Swing-Kollegen unterscheidet. Die Kombination von Reinhardt und dem, was von Charlie Parker, Wes Mont­gomery und dem Modern Jazz kommt, macht ihn aus und hebt ihn ab vom über­wiegenden Rest der Szene. Und eine waschechte Jam Session, zu der er seine Mit­musiker auf der Basis des Klassikers „Sun­ny“ kurz vor Schluss einlädt, kommt bei Konzerten aus dieser Sparte ja auch nicht allzu häufig vor. Gypsy Swing auf insgesamt 20 Saiten. – Nicht komplett anders als sonst üblich, aber ziem­lich anders durchaus.