Walter Lang Trio Plays Charlie Chaplin | 07.01.2000

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Fast ausschließlich Kompositionen von Charlie Chaplin bot das Walter Lang Trio im Birdland Jazzclub: Das gelungene Experiment, einmal nicht die üblichen Standards aus dem Great American Songbook, sondern Melodien aus einem ganz anderen Kontext als Grundlage der Improvisation zu verwenden.

Seit etlichen Jahren beschäftigt sich Walter Lang schon mit Chaplin´s Musik. Alles nur ein Gag, um Aufsehen zu erregen? Nein, dazu ist das kompositorische Material bei aller Einfachheit zu gut und die Auseinandersetzung mit ihm zu gründlich: Lang gelingt eine definitiv gültige Adaption. Chaplin hat die Musik zu seinen Filmen durchgängig selbst komponiert, bei den älteren Stummfilmen, die ja seinerzeit in den Kinos live begleitet wurden, holte er die musikalische Vertonung erst in den fünfziger Jahren nach. Man merkt eigentlich erst, wenn man sie außerhalb des cineastischen Kontexts hört, wie vertraut einem diese Kompositionen sind, richtiggehende Ohrwürmer, die unmittelbar die Stimmung der Filme aufgreifen und so manche oft gesehene Szene vor dem inneren Auge erstehen lassen.

Walter Lang (p), Rick Hollander (dr)und Henning Sieverts (b) entlocken diesen Melodien jede Menge inneren Charme. Dabei bilden die Filmmelodien oft nur den Ausgangspunkt für die komplexe Improvisationskunst eines hochdifferenzierten Pianotrios, filigran, innig und sinnlich. Walter Lang bietet Musik von der leiseren Seite des Lebens; wichtig sind die Zwischentöne, kleine Anmerkungen, die ganz selbstverständlich und alltäglich wirken, jedoch gerade in einer gewissen Lakonik tiefe Kraft entfalten. Dabei erarbeitet Rick Hollander´s nuancenreiches Schlagzeug in stillen Andeutungen hochkonzentrierte Essenz, und Henning Sieverts erweist sich als ein mit allen Wassern gewaschener Bassist von großer Variabiltät und traumwandlerischer rhythmischer Prägnanz.

Wie sehr sich das Material Chaplins formen läßt, zeigen zwei unmittelbar aufeinander folgende Versionen von „Georgia“ aus dem Film „Modern Times“: die erste Version steigert einen 5/4 Takt in karger Schwere und transparenter Melancholie zu faszinierender Intensität. Die zweite Version antwortet im UpTempo in freier Improvisation auf die Komposition, chiffriert ihre Geheimnisse neu und deutet sie in unsere modernen Zeiten hinein. Die ganze Ambivalenz der Geschichte um einen jüdischen Barbier und den Dikator Alfred Hynkel entfaltet sich in einer kleinen Suite, die Lang aus drei Stücken aus dem „Great Dictator“ zusammengestellt hat. So gewinnt auch Richard Wagners „Prelude zu Lohengrin“ via Chaplin im Jazzarrangement einen ganz besonderen neuen Reiz.