Walt Weiskopf European Quartet | 25.01.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Walt Weiskopf steht im­mer noch in der zweiten Reihe, wenn es um die aktuell tätigen Tenorsaxofonis­ten des Jazz geht. Völlig zu Unrecht, wie der Mann von der amerikanischen Ost­küste beim Konzert, das er mit seinem Euro­pean Quartet im Neuburger Bird­land Jazzclub gibt, eindrücklich unter Beweis stellt. Sein voller, geradliniger Ton, seine kunstfertig und einfallsreich gestalteten Improvisationen, seine Kom­positionen, in deren Themen man sich unweigerlich sofort ein klein wenig ver­lieben könnte, ja, der 60-Jährige bietet seinem Publi­kum ein umfangreiches und reichhalti­ges Verwöhnprogramm. Wer auf BeBop steht und auf das, was im Acoustic Jazz auf ihn folgte, der kommt mit ihm ganz gewiss auf seine Kosten.

Es gibt jede Menge Tonträger, auf de­nen Weiskopf zu hören ist, und er hat mit vielen Stars gespielt. Ist er in Europa auf Tour, engagiert er wie so viele seiner Kollegen seine Begleitmusiker vor Ort. Das ist im Jazz normal, geschieht nicht selten aus Kostengründen und hat den Vorteil, dass man auf diese Weise bis-weilen Musiker hört, die man sonst wohl nie zu Gesicht bekommen hätte.

Im diesem Fall sind das drei Herren aus Kopenhagen, nämlich Carl Winther am Flügel, Andreas Lang am Kontrabass und Anders Morgensen am Schlagzeug. Sie sind für Weiskopf die idealen Partner und sorgen für vorzüglichen Modern Jazz mit Eigenkompositionen wie dem afrikanisch angehauchten „Entebbe“, dem mitreißenden „Back To Japan“ oder dem polyrhythmisch angelegten „Tribal Dance“ wie auch für sensible Bearbei­tungen von „The Peacocks“ aus der Fe­der Jimmy Rowles‘ oder Duke Pearson’s „You Know I Care“. Von Anfang an ist der Drummer der Auffälligste von allen. Er sorgt mit extrem hoher Schlagzahl für einen ungemein dichten Rhythmustep-pich, seine rechte Hand am Ride-Becken ist geradezu eine Offenbarung. Wer angesichts seiner Wucht an ähnlich ausgerichtete Legenden wie Max Roach, Gene Krupa oder Buddy Rich denkt, liegt so falsch nicht. Das Ganze hat aber auch einen Nachteil. Morgensen, obwohl komplett unverstärkt, deckt seine Kolle­gen vor allem im ersten Set akustisch zu, ist viel zu dominant und schier nicht zu bremsen. Der Mann teilt ganz einfach gnadenlos aus.

Weiskopf weiß um das Problem und greift in der zweiten Hälfte vermehrt auf Balladen zurück, weswegen statt der Stöcke die Besen zum Einsatz kommen, was die Lage etwas beruhigt. Erst ganz zum Ende bei „Like Mike“, einer Remi­niszenz an Michael Brecker, geht’s noch­mal in die Vollen. Nicht umsonst hat Morgensen als einziger Musiker kein komplettes Solo. Muss aber auch nicht sein, denn der Mann soliert ja sowieso quasi durchgehend.

Bis auf den Aspekt des übermächtigen Drummers freilich ist der Abend mit Walt Weiskopf und seiner Band ein über­aus angenehmer. Ein hohes Energielevel, deutlich sicht-, hör- und fühlbare Spiel­freude, ein origineller stilistischer Ansatz und die wunderbaren Kompositionen sorgen für einen tollen Abend, und, ja, auch der Drummer ist in der Tat extrem gut. Wenn er nicht gar so übertreiben würde, gefiele er uns aber noch besser.