GEMA 4 | 24.01.2020

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

„Dum dum dum…“: Viele A cappella-Themen beginnen mit diesem rhythmischen Element, bei dem ein tiefer gelegtes Organ den Part des Perkussionsinstruments imitieren soll. Es ist eine hohe Kunst, mehrstimmigen Gesang zu verzahnen und dabei völlig vergessen zu lassen, dass hier Stimmen als einziges Instrument fungieren. Und keine einfache, auch wenn es sich bisweilen einfach anhört. Wer mit dem Gütesiegel „A capella“ antritt, der agiert automatisch in der Championsleague der Vokal-Kultur, ob er will oder nicht. Fast logisch, dass bei einem Konzert wie dem der vier Sängerinnen der kubanischen Formation Gema 4 (Die vier Edelsteine) der Neuburger Birdland-Jazzclub fast aus den Nähten platzt.

So etwas gab es bislang im Hofapothekenkeller noch nie: Der Flügel bleibt abgedeckt, das Drumset wird gar nicht erst aufgebaut, der Bass liegt unberührt im Nebenraum. Nur vier Mikrofone zieren die Bühne. Hohe Erwartungshaltung. Die Kombination Kuba, Sonne, Strand, Danzón, Merengue, weibliche Stimmen und den Klang famoser A capella-Gruppen wie die Comedian Harmonists oder die Flying Pickets im Ohr – das hat das Zeug zum Selbstläufer. Was kann man (Frau) auch groß falsch machen, wenn das Repertoire aus den großen kubanischen Liedern im Filín- und Són-Stil, aus Guarachas, Chachachas oder Boleros besteht?

Ein Konzert wie das von Gema 4 verläuft meist nach demselben Muster: schwebende Melodien, samtene Stimmen mit einer dezenten Prise Laszivität, eine Hauch von Tristesse in den leider viel zu seltenen und deshalb umso ergreifenderen Balladen und ansonsten jede Menge ausgelassene Stimmung. Diese reduziert sich vor allem im ersten Set sowie gegen Schluss des Konzertes auf Mitsing- und Mitklatsch-Interaktionen, zu denen Bandleaderin Odette Tellería das Publikum animiert. Der Mittelgang singt dies, die rechte Seite das, die Männer brummen, die Frauen summen . . . Ein gern genommener Gag, nicht nur bei Helene-Fischer-Konzerten, der sich bei ständiger Wiederholung irgendwie erschöpft.

Odette Tellería, die Grande Dame des kubanischen Volksliedes, übernimmt charmant die Conference, lädt die Gäste unter anderem zu einem Cha-cha-cha-Grundkurs ein und deckt damit gut ein Drittel des Konzertzeitraums ab, in dem ihre Mitstreiterinnen Tal Ben-Ari, Michèle Alderete und Laura Flores versuchen, ihre Stimmen fliegen zu lassen. Die Songs tragen Titel wie „La Rosa Oriental“, „Y Decídete Mi Amor“, „El Bodeguero“ oder „La Puerta“ und sind allesamt hübsche Miniaturen, mehr aber nicht. Selbst wenn kleine technische Mängel in der Intonation und der Feinjustierung der Oktaven nicht sonderlich ins Gewicht fallen, so fehlt es letztlich doch am Kick, an den spektakulären Ideen, an den feinen Kunstgriffen, schlicht an vielem, was edlen A capella-Gesang eben auszeichnet.

Immerhin gibt es doch noch Momente, in denen Gema 4 die übergroßen Fesseln und auch ein bisschen ihre Nervosität abstreifen. Mit „Esas Non Son Cubanas“ offerieren Odette Tellería, Tal Ben-Ari, Michèle Alderete und Laura Flores ein flirrend rhythmisches, kraftvoll buntes Stück originärer kubanischer Kultur, das sich eigentlich perfekt als Gradmesser für ihren Neuburg-Auftritt geeignet hätte. Das Finale furioso eines allenfalls gut durchschnittlichen Konzertabends.