GEMA 4 | 24.01.2020

Donaukurier | Karl Leitner
 

Im Birdland gab es in all den Jahren seit der Gründung des Clubs vor mittlerweile 61 Jahren ja schon vieles, dies aber noch nie: Musik, die völlig ohne Instrumente auskommt. Sie stammt an diesem Abend vor ausverkauftem Haus von „Gema 4“, dem seit nunmehr 29 Jahren existierenden A Capella-Quartett aus der kubanischen Metropole Havanna. Vier Sängerinnen singen Boleros, Guarachas und Chachachas, bringen Lieder im Gewand des Filín und des Són zu Gehör und agieren damit natürlich nicht nur als musikalische Botschafterinnen ihres Landes, sondern vermitteln auch eine gehörige Portion Lebensgefühl.

Odette Tellería, Michèle Alderete, Laura Flores und Clara Luna haben einiges auf dem Kasten. Die sich in einem Fort verzahnenden und sich dann wieder entwirrenden Gesangslinien der vier Vokalistinnen sind in höchstem Maße ungewöhnlich und interessant. Ihren Verlauf im Einzelnen zu verfolgen, ist vor allem zu Beginn des Konzerts durchaus nicht einfach, macht man sich aber die Mühe, entdeckt man recht schnell, welch reichhaltige Arrangements hinter diesen Stücken aus dem karibischen Kulturkreis stecken und wie souverän die vier Sängerinnen mit ihnen umgehen und sich in ihnen bewegen.

In langsameren Stücken wie dem ursprünglich aus Mexiko stammenden „Se Te Olvida“, die sicherlich zu den beeindruckenderen an diesem Abend zählen, kommen die Stimmen am besten zur Geltung, bei den schnelleren stehen oft mehr das Feuer und die Lebensfreude im Vordergrund. Wie Odette Tellería, die Sprecherin der Gruppe, erklärt, werden die Lieder, die das Ensemble im Repertoire hat, tatsächlich im Alltag, bei Festen und besonderen Anlässen von der ganzen Bevölkerung gesungen. Es handelt sich also bei ihnen nicht um museale Werke und auch nicht um Touristenfolklore. Dennoch ist es für das Quartett und für dessen Erfolg beim Publikum durchaus von entscheidender Bedeutung, die richtige Balance zu finden zwischen anspruchsvollen Nummern zum Zuhören und Stimmungsaufhellern, bei denen man sich beteiligen kann.

Und so liegt es also bei jedem einzelnen im Saal, für sich selbst zu entscheiden, womit er mehr anfangen kann. Mit den Stücken, bei denen man in irgendeiner Weise mitmachen darf, kann oder muss oder mit denen, bei denen man seinen eigenen Horizont erweitern und feststellen kann, dass es jenseits der Andrew Sisters, von Doo Wop und Motown sowie neuen Formationen wie Aquabella, den Medlz oder Niniwe auch noch eine andere Form weiblichen A Capella-Gesangs gibt, noch dazu eine, die man ansonsten in dieser Art quasi nie zu hören bekommt.

Der Begeisterung im Birdland nach zu urteilen scheinen die vier Damen aus Kuba für diesen ganz speziellen Abend exakt das richtige Mischungsverhältnis zwischen Anspruch und Fiesta gefunden zu haben. Am Ende nämlich ist der Applaus so richtig heftig. Und das sagt ja bekanntlich einiges, wenn nicht sogar alles.