Vincent Klink – Lorenzo Petrocca | 21.05.2023

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Es ist diese besondere Art, die das, was alles um den Jazz herum passiert, so reizvoll macht, das Leichte, Beschwingte, die offenen Gesichter der hörenden Gäste und der agierenden Musiker. Manchmal ist es aber auch anders. Dann steht eine große, unsichtbare Wand zwischen dem Publikum und den Protagonisten. Doch bei Vincent Klink und seinem kongenialen Partner Lorenzo Petrocca herrscht permanent freie Sicht. Klink, fernseherprobter Starkoch, Besitzer des Restaurants Wielandshöhe in Stuttgart-Degerloch, erfolgreicher Buchautor und leidenschaftlicher Jazzmusiker, kehrt abermals für einen launigen, unterhaltsamen Abend in das Neuburger Birdland – seinem persönlichen „Kraftort“ (O-Ton) – zurück. Dabei sorgt der 74-Jährige selbst an einem Sonntagabend für einen proppenvollen Hofapothekenkeller und beweist einmal mehr, dass es gar nichts bringt, für sich selbst zu kochen oder zu musizieren. Den Leuten muss es schmecken – nur darum geht es!

Und das tut es in der Tat mit einem Menü, das die zahlreichen Klink-Fans aus Nah und Fern erwarten, schätzen und genießen. Wobei man auf keinen Fall immer dasselbe servieren sollte – alte Küchenweisheit, die problemlos auf die Musik umgemünzt werden kann. Diesmal hat der musizierende Koch eine tiefergestimmte Mandoline dabei – oder besser gesagt eine Mandola; angekündigt war er als Flötist, früher durfte es auch mal die Basstrompete sein. Das Saiteninstrument bedient er voller Hingabe, auch wenn so mancher Ton nicht unbedingt passgenau sitzt. Aber dafür weiß er auf seinem Weg zum Gipfel des Jazz, bei dem es Edelstandards wie „Black Orpheus“, „Nature Boy“ oder „All Blues“ zu passieren gilt, einen Bergführer an seiner Seite, mit dem er auch in Kneippsandalen den Mount Everest besteigen könnte, ohne je dabei in Gefahr zu geraten. Petrocca gleicht aus, hakt seinen Partner unter, regelt unscheinbar Tempo-Stolperschwellen und bestimmt zumindest musikalisch voll und ganz das Geschehen.

Aber Klinks Auftritt im Birdland sollte man nicht als Konzert im klassischen Sinn betrachten. Eher als eine Lesung mit Musik. Das Gesamtpaket zählt. Und hier finden der Koch und sein Musiker mit einer unvergleichlichen Melange aus feinen Klängen und launigen Geschichten einmal mehr einen genialen Weg, um Menschen für den Jazz, aber auch die Marke „Klink“ zu begeistern. Dessen Schwäbisch ist so breit geblieben wie eh und je, und die Nonchalance, mit der er das Publikum mit auf seine Reisen nimmt, hat etwas Heimeliges, etwas unverstellt Authentisches. Vincent Klink hat sicht- und hörbar Spaß am Ausbreiten seiner feinen Bonmonts, die von einem permanenten Glucksen und Kichern begleitet werden. Etwa wenn er erzählt, dass er sich deswegen für die Mandoline entschieden habe, weil man die im Sitzen spielen und er sich dabei quasi selber zuhören könne. Denn der Korpus liege ja auf seinem Bauch. Apropos: Natürlich liest der „Chef“ aus seinem Bestseller „Ein Bauch spaziert durch Venedig“, verrät kulinarische Geheimtipps und Orte, um die man besser einen weiten Bogen machen sollte, nimmt das gebannt lauschende Publikum mit in „Harryʼs Bar“ in der Lagunenstadt, dort wo alles anders ist, wo es noch echte Ober gibt, wo gleichzeitig vier Königliche Hoheiten dinieren, ohne voneinander zu wissen.

Das wirklich Schöne an diesem Abend: Vincent Klink will kein Musiker sein und auch nicht als solcher wahrgenommen werden. Vielleicht als lesender Musiker oder als Koch mit einem Faible für Jazz. Er ist dankbar, dass ihn sein Freund Manfred Rehm erneut eingeladen hat und schwärmt über den hiesigen Jazzclub, nicht ohne dabei einen Seitenhieb auf das in Kürze beginnende Schlossfest loszuwerden: „Ihr Neuburger könnt Euch viel auf Eure Schlossspiele einbilden, aber die kennt doch niemand. Das Birdland jedoch ist seit 30 Jahren in Deutschland ein fester Begriff!“ Wie Venedig, noch so ein „Kraftort“, und wie das hinreißende Duo, das noch Sonntagnacht wieder den Heimweg ins Württembergische antritt. Klink lächelnd: „Ich muss ja morgen wieder mein Lokal aufsperren.“