„Yours truly, Vincent Herring“: Treffender hätte er sich nicht vorstellen können, der sympathisch-stille Mann am Altsaxophon, der da so selbstverständlich die absurdesten musikalischen Kunststückchen bringt. Und ziemlich schnell wird klar: Vincent Herring beherrscht sein Instrument besser als so mancher seine Muttersprache.
Die Geschichten, die der „Jazz Messenger“ seinem Publikum erzählt, sind ebenso authentisch und emotional wie hochvirtuos, musikalische Eigenschaften, die leider selten Hand in Hand gehen. Gus Arnheims „Sweet and Lovely“ strahlt in matt glänzenden Saxophontönen, leidenschaftlich, vollblütig und mitreißend, selbst die wahnsinnige Rhythmik des Pianisten Anthony Wonsey vermittelt nie den Eindruck verkopfter Intellektualität, sondern steht für bodenständige, wahrhaftige Musik.
Für Herring scheint das, was die Anwesenden mit Staunen beobachten ein schlichtes „Simple Pleasure“. Kein bisschen Anstrengung scheint ihn das Konzert zu kosten, mit Witz, angenehmer Präsenz und unglaublicher Souveränität führt er durch den Abend, als wären die im Birdland Versammelten alte Freunde, teilt Seitenhiebe auf seine Mitmusiker aus und lacht über sich selbst. Und trotz dieser Ironie kommt jeder einzelne Ton aus tiefster Seele, impulsiv, berührend und aus dem Augenblick heraus.
Genau daran knüpft er auch nach der Pause wieder an mit Bobby TimmonsŽ Klassiker „MoaninŽ“. Getragen durch den serbischen Bassisten Milan Nicolic, der sich nicht nur bei seinen Soli durch wunderbar dichtes und innovatives Spiel auszeichnet, und den Schweizer Joris Dudli am Schlagzeug, dessen handfestes Timing ein Übriges tut, gibt sich der Meister auch hier wieder eine elegante Art von emotionaler Blöße.
Beendet wird das zweite Set mit einer halsbrecherischen Version des Broadway-Schlagers und Swing – Standards „What is this thing called love“, der durch die sprühende Energie der vier Musiker ein ganz neues Gesicht bekommt. Und so ist es nicht verwunderlich, dass das zahlreich erschienene Publikum nach Ende des zweiten Sets lautstark nach einer Zugabe verlangt.
Trotz fortgeschrittener Stunde geben sich die Musiker noch einmal die Ehre und nicht zuletzt Pianist Wonsey beweist um ein weiteres Mal ein höchstes Maß an Perfektion und Rhythmusgefühl. Mit Thelonius Monks „Round about midnight“ entlässt das Quartett sein Publikum in eine nicht mehr allzu junge Nacht. Auch wenn der Begriff „Neojazz“ nach einem lauwarmen Aufguss klingt, Herring lieferte einen Abend voller Tiefe und Wahrheit. Eben „yours truly, Vincent Herring“.