Mike Mainieri „Steps Ahead“ | 01.11.2008

Neuburger Rundschau | Clara Fiedler
 

Manch einer musste erst sterben, um unsterblich zu werden. Mike Mainieri, der sich am Samstag die Ehre gab, das diesjährige November-Programm im Birdland zu eröffnen, hat das nicht nötig. Er gehört zu denen, die man gemeinhin als „lebende Legende“ bezeichnet. Eine solche ist auch seine Formation „Steps Ahead“, die nicht nur mit einer traumhaften Besetzung aufwartete, sondern einen schon mit der ersten Nummer so unvermittelt aus der Welt riss, in der man sich gerade noch befand. Rhythmisch, elektrisierend und atemberaubend eröffneten die sechs Musiker einen Abend, an dessen Ende – das sei im Voraus gesagt – keiner das Birdland gerne verließ.
„Buzz“ nannte sich die Eigenkomposition von Mainieri, und der Titel fasst eigentlich schon sämtliche Facetten des Songs zusammen. Die Nummer sprüht vor Energie, der unglaubliche Donny McCaslin am Tenorsaxophon gibt der Gruppe durch halsbrecherisch rasante Soli die richtige Portion Jazz, die Rhythmussection mit Etienne Mbappé am Bass und Rodney Holmes am Schlagzeug verleiht dem Ganzen eine lateinamerikanische Note und darüber schweben die sphärischen Vibraphonklänge des Altmeisters Mainieri. Alles in allem ein so hochexplosives Gemisch, dass es schier unmöglich wird, still zu sitzen.
Und der nächste Hammer lässt nicht lange auf sich warten: „Ris for Riddle“ klingt wie der Begriff „Fusion“: hypnotisch und futuristisch, fremdartig und abgefahren. Während Till Brönner sich vorerst mit den „ersten Schritten bei Steps Ahead“ noch sehr zurückhält, erweist sich McCaslin als regelrechter Vulkan: Ein heißes Solo nach dem anderen feuert er in den Neuburger Jazzkeller, ebenso unermüdlich wie innovativ. Lässig und ohne jegliche Anstrengung begeistert auch Gitarrist Bryan Baker, dessen Soli sich so selbstverständlich in die Musik der Gruppe einfügen, ohne ihre ausgefallene und individuelle Note zu verlieren. Mit Schlagzeuger Rodney Holmes hat sich Mainieri einen minutiösen Magier ins Boot geholt, der kurz vor der Pause ein zehnminütiges, polyrhythmisches Sturmgewitter auf ein gefesseltes Publikum niederprasseln lässt.
In der zweiten Hälfte lassen es die Sechs etwas ruhiger angehen. Mit „Pools“ aus der Feder von Steps-Gründungsmitglied Don Grolnick führen die Musiker ihr Publikum wieder da hin, wo sie aufgehört haben, aber spätestens nach ein paar Minuten steigert sich das Ganze wieder zur Ekstase. Donny McCaslins „Send me a Postcard“ endet im Sturmapplaus und Brönner hat in Grolnicks „Nothing Personal“ noch einmal einen fulminanten Auftritt.
Die Zugabe mit dem Titel „Oops“ ist fast eingängig und auch wenn man Mainieri nicht unterstellen will, er habe „ein Versehen vertont“, ist die Nummer spontan und witzig und erweist sich als der Ohrwurm, den viele hinterher wehmütig über das Ende dieses Abends, der in jedem seine Spuren hinterließ, noch auf der Straße pfiffen.