Victoria Pohl Trio | 21.09.2024

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der Neuburger Birdland Jazzclub ist Victoria Pohl nicht fremd. Immer wieder mal hat sich die Nürnberger Pianisten ins Publikum gesetzt und als Fan ihren Helden gelauscht. Jetzt tritt sie zum ersten Mal selber in diesem „Juwel von einem Jazzclub“ (O-Ton Pohl) auf und spielt an exakt dem Flügel, an dem einst ihr Idol Oscar Peterson saß.

Hat Manfred Rehm, der bekanntermaßen ja ein Händchen hat bei der Auswahl junger Künstler, da vielleicht wieder mal jemand entdeckt, der mit gerade mal 33 Jahren dabei ist durchzustarten, auf dem Weg zur „Pohl-Position“ sozusagen?

Dass das Konzert zusammen mit ihrem Trio, Felix Wiegand am Kontrabass und Florian Kettler am Schlagzeug, in der Reihe „Art Of Piano“ läuft, die nur den besten vorbehalten ist, spricht schon mal für sich. Und Pohl erfüllt die Erwartungen voll und ganz mit Stücken aus ihrem aktuellen Album „Mr. Hähnry“, mit Eigenkompositionen, in denen sie witzige Situationen, persönliche Erfahrungen und lustige Beobachtungen auf pfiffige und unkonventionelle Weise vertont, und von Swing bis Pop, von Tango bis Latin je nach Lust und Laune mit den Genres spielt. Ihr Motto heißt „Mein Leben ist mein Wunschkonzert“, und das zieht sie durch. Ihr Markenzeichen sind starke Melodien, nicht selten solche mit Ohrwurmcharakter, sowie eine entspannte Harmonik, in die man jederzeit eintauchen und sich treiben lassen kann. Dabei bedient sie sich mal schlichter, mal auch recht komplexer Formen. Weil sie Benny Green, den vermutlich schnellsten Pianisten auf diesem Planeten, geradezu verehrt, seit sie ihn im Birdland gesehen hat, ist sie ihm bei „Snowflakes“ hart auf den Fersen, bei „Tanlock“ hingegen geht’s um einen während des Lockdowns geschrieben Halb-Tango, „Sad As I Can Be“ ist das Ergebnis einer Geschlechtsumwandlung, nämlich der des Klassikers „Willow Weep For Me“ von Dur nach Moll, während „Mr. Hähnry“ dem Hahn in der Nachbarschaft gewidmet ist. Man hört das Gegacker seines aufgescheuchten Harems deutlich und wird akustisch Zeuge des regen Betriebs auf der Hühnerleiter.

Pohl erzählt Geschichten. Witzige, nachdenkliche, humorvolle. Sie drückt aufs Tempo oder lässt sich Zeit, hört bei dem umarrangierten „Autumn Waves“ lieber dem Rauschen der Wellen zu statt dem Fallen der Blätter beim Original, dem Klassiker „Autumn Leaves“. Sie erzielt mit einfachen Melodien große Wirkung, erschafft mit nur drei Akkorden – wie bei „Reminding“ eine komplette emotionale Welt. Wer lange Soli sucht, sucht vergebens. Die gibt es auch von ihr, etwa auf ihrem Album „Very Important Pieces“ mit einer Auswahl von Standards, aber nicht hier. Das Programm um „Mr. Hähnry“ hat nichts von einer Session an sich. Straffe Organisation, griffige Arrangements, die komprimierte Form, überlegt in die Geschichten eingefügte Soli. Die Komposition steht im Mittelpunkt, nicht die technische Brillanz der Bandchefin. Über die sie natürlich trotzdem verfügt und auf die sie jederzeit zurückgreifen kann, wie man etwa bei „Thank You“ oder „Trust In Us“ beobachten kann. – Victoria Pohl hinterlässt einen überaus nachhaltigen Eindruck, als sie an diesem Abend zum erst Mal nicht vor, sondern auf der Bühne sitzt. Zwei Zugaben sind die logische Konsequenz. Man wird sie wiedersehen im Birdland-Gewölbe. Darauf kann man wetten.