Uwe Kropinski – Dieter Köhnlein Duo | 12.12.1997

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Auch der Jazz ist manchmal wie eine Pralinenschachtel: man weiß nie, was man bekommt. Wer die Verpackung ignoriert und sein Interesse nicht bloß auf leckere dunkle Häppchen mit wohlklingenden amerikanischen Namen beschränkt, der könnte sich durchaus an so mancher Überraschung erfreuen. Doch wer tut dies heute schon? Des Publikums Devise lautet: lieber auf Nummer sicher gehen und bei Joe, Andy, Herbie, oder wie sie heißen mögen, vorbeischauen, anstatt mal etwas zu wagen und zwei Herren namens Dieter Köhnlein und Uwe Kropinski einen Besuch abzustatten.

Das klingt irgendwie schon verdächtig nach Stockhausen, Kopfschmerzen und Liedermachersoße: deutscher Pianist (West) trifft deutschen Gitarristen (Ost). Und tatsächlich entpuppte sich ein teutonisches No-Name-Produkt einmal mehr im Neuburger „Birdland“-Jazzclub als Ladenhüter, übersehen vom Großteil der Klientel. Dabei hätten die Fans bloß zugreifen und das unscheinbare Bonbon auswickeln müssen, es hätte ihnen unter Garantie ebensoviel Genuß beschert, wie einigen risikofreudigeren Zeitgenossen zuvor.

Pat Metheny zum Beispiel meinte, er sei noch nie von einem Sologitarristen so beeindruckt gewesen, wie von Uwe Kropinski, und dem Ansbacher Dieter Köhnlein räumen Fachzeitschriften gar eine pianistische Sonderstellung im deutschen Jazzbereich ein. Beider Duo existiert bereits seit 1987 und erfährt fast mit jeder Plattenveröffentlichung, jedem Auftritt euphorische Reaktionen. Doch Kritikermeinungen befriedigen Musiker bekanntlich nur zum Teil.

Bei den beiden Freunden paßt einfach alles ineinander. Sie nutzen ihr instrumentale Virtuosität, um ihrer übersprudelnden Phantasie Herr zu werden und tasten sich ohne Netz und doppelten Boden in eine vage Atmosphäre vor, um daraus, völlig dem Augenblick überlassen, ein rauschhaftes Klang-Patchwork zu erschaffen. Derartige Höhenflüge können freilich nur gelingen, wenn jeder die inneren Ströme des anderen reflektiert und dem Widerpart den Weg in den Elfenbeinturm der Selbstzufriedenheit keck versperrt.

Diese Aufgabe meisterte Kropinksi im Angesicht des notorischen Eigenbrötlers Köhnlein unnachahmlich. Mit Präzision, Schnelligkeit, explosiver Wucht, Zärtlichkeit, Vehemenz und Witz zog er im Hofapothekenkeller auf seiner akustischen Gitarre weite Schleifen vom Blues über Free bis hin zum Flamenco. In dem 46jährigen steckt so viel innovative Begabung, daß er selbst die aus dem Städtenamen „Addis Abeba“ resultierende Tonfolge „A-Dis-A-B-E-B-A“ zu einem farbenfrohen Soundmovie umformen kann.

Vom Piano kamen dazu die perfekten Kontrapunkte. Köhnlein verblüfft mit humorig-schrägem und doch subtil-schlichtem Spiel, das kantigen Widerspruch erzeugt und sich gegen jeden Effekt der schläfrigen Beruhigung sperrt. Atemlos verfolgt der Zuhörer mit den Augen der Protagonisten die Reise in das nervöse „Urban Friends“, das verträumte „Heart Timer“, das skurille „Dada 52“ oder das flott galoppierende „Dancing In Seconds“.

Die Urgewalt der dafür benützten Ideen, die Emotionalität des Vortrags beherrscht Kopf und Ohren noch auf dem Nachhauseweg. Ein Genuß ohne Reue, aber nur für die wirklich echten Genießer.