Uri Cane – Thomas Dobler Duo | 17.01.2025

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Hörgewohnheiten auszuloten und gegen den Strich zu bürsten, ist eine der großen Tugenden des Jazz. Ohren, Herzen und Hirne zu öffnen für Neues, Grenzüberschreitendes jenseits des Berechenbaren, mit dem die Musikindustrie permanent unsere Ohren flutet.

Immer gern auf der Grundlage des Hergebrachten, der Standards: Schon im allerersten Stück des Abends setzten Uri Caine am Bösendorfen Flügel und Thomas Dobler am Vibraphon bei ihrem Konzert am Freitag im Birdland-Jazzclub ein deutliches Zeichen mit keiner geringeren Vorlage als Duke Ellingtons „Caravan“. Da klang der alte Wüstenklassiker wie ein heller Gebirgsbach, die Tropfen glitzerten, die Wellen sprangen hurtig über die Steine, kein bisschen Staub, nur pure Frische, ebenso wie in George Gershwins „Soon“.

Allein die Konstellation war vielversprechend: Uri Caine, feste Größe der New Yorker Szene, in Klassik und Jazz gleichermaßen bewandert, traf auf den wunderbar gleich gesinnten Schweizer Thomas Dobler, dem der New Baroque so nah ist wie das Great American Songbook. Der Charakter beider Instrumente, Klavier und Vibraphon, steht je für Klang und Punch, Melodie und Harmonie, Polyphonie und Perkussion, dies in ganz unterschiedlicher Klanglichkeit und Farbe, die es im Duo überaus feinsinnig auszubalancieren galt.

Dobler und Caine ergänzten sich an ihren Instrumenten, in ihren Persönlichkeiten und in ihrer Musikauffassung geradezu perfekt in jeweils uneingeschränkter Individualität, die ihre Stärke gerade aus dem Miteinander zog und so umso Größeres schuf, nicht plakativ oder spektakulär, aber mit staunenerregender interaktiver Kreativität, geprägt von komplexen, verspielten, lyrischen, zuweilen gar hymnischen Momenten.

Natürlich durfte auch der zeitkritische Bezug nicht fehlen: „Fidget with the truth“ spielte auf „jemanden an, der kürzlich Präsident geworden ist“, wie Caine seine eher melancholische Ballade erläuterte. Ein großer Trost in Tech-betrunkenen Zeiten, in denen noch nicht so recht klar ist, ob Milliardäre oder ihre Algorithmen sich anschicken, unseren Planeten beherrschen zu wollen: Einen Abend wie diesen, so unvorhersehbar, so neu, so offen, zugleich so ungemein human, das kriegt eine Künstliche Intelligenz definitiv nicht hin. Dazu braucht es Menschen – mit Offenheit, Neugier und großem Herzen.