Uri Caine – Dave Douglas Duo | 05.03.2016

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Wie sich Hausmusik bei Johann Sebastian Bach wohl heute anhören würde, wenn der Meister des Kontrapunkts mit einem der besten Trompeter seiner Zeit musizierte? Vielleicht so, wie es im Birdland Jazzclub mit Uri Caine und Dave Douglas zu erleben war!

Zwei Musiker jonglieren mit allen Regeln der Kunst – der Harmonie, der Melodik, des Grooves, des Miteinanders und des musikalischen Dialogs. Sie loten aus, bis wohin das Zwiegespräch führen kann im aufeinander zu und voneinander weg. Was in der Luft liegt, wird aufgegriffen, ineinander verwoben, dem Dialog einverleibt.

Der Trompeter Dave Douglas und der Pianist Uri Caine kennen sich seit über zwanzig Jahren. Beide sind fester Bestandteil der New Yorker Avantgarde-Szene, beide stehen für Unabhängigkeit und für ein profundes musikalisches Verständnis weit jenseits jeglicher traditionalistischer Ideologie. Beide sind fähig und bereit, über den Tellerrand hinauszusehen, den Horizont zu erweitern und den Geist fliegen zu lassen. Erfreulich ist die Kohärenz der Musik. Bei allem virtuosen Temperament ist sie frei von jenem mühsamen Zorn, mit dem die Avantgarde zuweilen aufwartet.

Douglas erweitert den Sound der Trompete zu erstaunlicher Individualität. Das Instrument in seinen Händen kann atemberaubend schnelle Skalen in den Jazzkeller schmettern, es kann sich zu höchster Ekstase steigern. Auf der anderen Seite ist Douglas fähig zu samtiger Melancholie, gehauchter Zartheit und geradezu romantisch schwebender Ruhe in kontemplativem Balladenton.

Uri Caine macht seinem Ruf als Pianist mit denkbar weitem Horizont alle Ehre. Vom Barock bis in die aktuelle neue Musik reicht sein Musikverständnis. Er ist ein ungemein sensibler, empathischer Begleiter ebenso wie ein selbstbewusster Impuls- und phantasievoller Ideengeber. So trägt der Bösendorfer die Zuhörer hinweg in mal bizarre, mal wunderbare, malerische Landschaften, deren Impressionen die Seele berühren.

Etliche Kompositionen des Duos sind inspiriert durch die Sacred Harp Tradition, eine Form des Chorgesangs, die ursprünglich aus der geistlichen Liedkunst der amerikanischen Südstaaten stammt. Was Douglas und Caine aus den im Grunde einfachen Stücken machen, ist großartige Kunst. Umso wichtiger in Zeiten, in denen ein Kerl, dessen Namen Douglas gar nicht nennen mag, sich anschickt, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Wann je wäre die Vergewisserung der Kultur wertvoller als in Tagen wie diesen?