Ulf Wakenius & radio.string.quartet.vienna | 10.05.2008

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Im falschen Film? Ein Streichorchester, das Jazz spielt? Nicht mal „normalen“ Jazz, sondern ein Repertoire aus jener hochelektrifizierten Phase der späten 60er und frühen 70er, die mit dem Begriff Jazzrock assoziiert wird? Der schwedische Gitarrist Ulf Wakenius hatte sich besondere Partner mitgebracht ins Neuburger Birdland: Das radio.string.quartet.vienna wartete mit vielen Überraschungen auf.

Zunächst aber Ulf Wakenius solo: Der ist durch seine jahrelange Zusammenarbeit mit Oscar Peterson bekannt geworden, dessen „vierter Mann“ er zehn Jahre lang war als Nachfolger von Barney Kessel, Herb Ellis und Joe Pass. Denen zeigt er sich verpflichtet und stellt unter Beweis, dass er durchaus würdig ist, in einem Atemzug mit ihnen genannt zu werden: Stilsicher in vielen Facetten des Jazz beheimatet, virtuos wie kaum einer, phantasievoll und sehr eigenständig in der künstlerischen Aussage. Wakenius beschränkt sich auf einen akustischen Sound, den er sehr intensiv zu formen und zu variieren versteht. Dass er musikalisch auch abseits des Mainstream-Swing seines im Dezember verstorbenen Ex-Chefs beheimatet ist, hat er schon mehrfach unter Beweis gestellt. Neben den wunderbaren „Notes from my Heart“ wartet er u.a. auf mit einem überraschend stimmigen Paradox: „Japanese Calypso“.

Wakenius‘ neuester Streich ist die Zusammenarbeit mit einem klassischen Quartett, für welche er etliche Kompositionen seines Landsmann Esbjörn Svensson arrangiert hat. Bernie Mallinger, Violine, Johannes Dickbauer, Violine, Cynthia Liao, Viola, und Asja Valcic, Cello, traten ihrerseits mit ungewöhnlichem Repertoire an die Öffentlichkeit: Das Mahavishnu Orchestra, dessen Musik sie interpretieren, stand Anfang der 70er für Tempo, Sound und eine damals fast zum guten Ton gehörende Hinwendung an die Spiritualität Indiens: „The Dance of Maja“. Dreifaches Paradox, dies mit klassischem Streichquartett zu spielen, steht das doch für die homogene Disziplin des Zusammenspiels, den unverfälscht akustischen Klang und den Gipfelpunkt westlicher Musiktradition. Immerhin, niemand anderer als John McLaughlin, Mastermind, Gitarrist und Komponist des Mahavishnu Orchstra, äußerte über das Projekt des radio.string.quartet.vienna: „Dass es ihnen gelungen ist, Musik, die eigentlich elektrischer Fusion-Jazz ist, mit Elementen ihrer klassischen Herangehensweise zu verschmelzen und dabei die ‚elektrische‘ Atmosphäre zu erhalten, ist einfach einzigartig.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ganz anders wieder das Esbjörn Svensson Trio, dessen Musik in der Kooperation des Quartetts mit Wakenius zu Ehren kommt: Die drei Schweden von e.s.t. kommen gerade vom akustischen Jazz her, geben dem elektrische Impulse mit, vor allem dann, wenn Dan Berglund seinen Kontrabass aufheulen lässt wie eine von Jimi Hendrix oder Ritchie Blackmore inspirierte Gitarre. Wiederum paradox also, aber wiederum auch absolut stimmig und fast hypnotisch, wenn das nun mit Streichquartett und Akustik-Gitarre zu Gehör kommt.

Ein Abend der Widersprüche also im Birdland Jazzclub, aber eben auch ein Abend, der zeigte, wie intensiv Gegensätze sich anziehen und zu neuer Stimmigkeit verschmelzen können.