TubaTuba | 02.05.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Es dürfte sich wohl um eine der ungewöhnlichsten Besetzungen in der an Kuriositäten und Experimenten gewiss nicht armen Geschichte des Jazz handeln. Mit zwei Tuben, einem Knopfakkordeon und Schlagzeug lud das Quartett „Tuba Tuba“ im Neuburger Birdland zum Tanz der Schwergewichte.

Während in der Gründerzeit des Jazz auf Grund des notorischen Mangels an Instrumenten kuriose Instrumentierungen durchaus üblich waren und man schon damals aus der Not jede Menge Tugend hervorlockte, scheint in unseren Tagen so Manches wohlkalkuliert dem Aha-Effekt zu huldigen. Erscheint in diesem Falle aber nur so! Wer erlebt, wie sich Dave Bargeron und Michel Godard an der Tuba gegenseitig nur so überbieten in Spiellaune und Virtuosität, hat Teil an purer Lust und einem faszinierenden Klangreichtum.

Da tanzen die Dickhäuter derart sensibel durch den zarten Frühlingsgarten, dass der sein Füllhorn nur so ausgießt über alle, die auch nur einen Hauch von einschlägigen Regungen verspüren. Da lässt Dave Bargeron „Sweet Georgia Brown“ zweistimmig – das geht! – nur so durch den Keller tänzeln zum atemberaubenden Two-Beat des Schlagzeugs. Da setzen Michel Godards „Bass Bees“ in Zirkularatmung und schlichtweg frappantem Sound an zum Hummelflug über die Kontinente, verweilen ein wenig in Tibet und Australien und teilen sodann ihren Nektar aus in Form reiner Musikalität. Godard liebt die Alte Musik, verwebt Melodien aus Renaissance und Gregorianik zu mystischen Erfahrungsräumen. Neben der Tuba kommen auch historische Instrumente zu Ehren und erschließen geheimnisvoll vertraute Klangdimensionen aus der Tiefe der Geschichte, die Barockposaune, deren Präsenz in der geistlichen Musik schon lange vor ihrer modernen Schwester und der biblisch begründeten kirchenmusikalischen Restauration im Pietismus des 19. Jahrhundert selbstverständlich war, und die Serpent, jenes schlangenförmig gebogene historische Holzblasinstrument mit Metallmundstück, das der Familie der Zinken eine Bassstimme gibt. Bargerons „45th“ dagegen reflektiert aktuelle Beobachtungen über das Elend der Menschen am Rande des Wohlstands der Industriegesellschaft, ihren Lebens- und Überlebenswillen, ihr Zagen und Hoffen, Bangen und Tanzen.

Luciano Biondini begleitet die beiden Tieftöner am Akkordeon mit geradewegs ins Nirvana flirrenden Sounds und gleichzeitig erdverwurzeltem Sinn für folkloristische Elementarteilchen, Kenwood Dennards Schlagzeug ist variabel, filigran, agil und funky. Jedes Stück des Quartetts erzählt eine Geschichte, hat seinen Sitz im Leben, sei es Bargerons „G-Dance“ für die fast schon große kleine Augusta oder Godards Adaption einer Pavane aus der Renaissance. Weit mehr als nur Virtuosität boten Tuba Tuba, sondern Substanz und Tiefe – und das nicht nur im Register.