Trombonefire | 16.02.2001

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Welch imposantes Bild: Vier aus jener Gattung, die nicht nur im Jazz ein unbegründbares Exotendasein fristen. Mächtige Klangmonster, die im Tutti so furchteinflößend wirken, wie eine herannahende Elefantenherde. Und schließlich die Körper dahinter: Gertenschlanke, springlebendige Schwergewichte des europäischen Jazz, jeder für sich gleichfalls die Ausnahme der gültigen Musikerregel, alle zusammen aber eine selten zuvor gehörte Ballung aus überschäumender Kreativität und berstender Energie.

„Trombonefire”. Wenn ein Bandname irgendwann mal das gehalten hat, was er zuvor vollmundig versprach, dann bei diesem Konzert im Neuburger „Birdland”-Jazzclub. Feuerstößen gleich, schickt die Posaunen-Quadriga ihre verschachtelten Sätze und grummelnden Soli in den Hofapothekenkeller. Manchmal, da scheint es sogar, als würde man den Soundtrack für ein Naturereignis live miterleben. Mitten im Auditorium zischen Geysire im swingenden Uptempo aus dem Boden, glühend heiße Magma quält sich zäh wie der dickflüssiger Blues durch die Stuhlreihen.

Normalerweise handelt es sich gerade bei Posaunisten um Konkurrenten, die gar heftig um die wenigen freien Plätze in den wenigen Big Bands buhlen, weil kleinere Formationen sich in den allermeisten Fällen lieber auf die bewährte Gebläsebesetzung mit Saxofon und Trompete konzentrieren. Dass der Münchner Posaunist Johannes Herrlich hier gleich drei weitere „Bone-Player“ zur Kollaboration überreden konnte, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern in höchstem Maße innovativ.

Welche Möglichkeiten sich nämlich für eine solches „Orchester“ ergeben, wenn es ein unbeirrbar auf Groove-Kurs befindliches Rhythmustrio (Walter Lang, Piano, Thomas Stabenow, Bass, Matthias Gmehlin, Schlagzeug) als Spurengänger vor sich weiß, demonstrierten Herrlich, Hermann Breuer, Eberhard Budziat und Adrian Mears in diesem Konzert mit bemerkenswerter Prägnanz. Es sind die Kontraste, welche die eigentliche Faszination dieser „tanzenden Knochen“ nicht nur beim programmatischen Songtitel „Dancing Bones“ ausmachen. Jeder steuert eine andere Farbe bei, jeder chargiert, versucht sich ganz bewusst vom Nebenmann abzuheben, aber niemals dessen Präsenz zu konterkarieren, sondern durch gezielte Gegensätze hervorzuheben.

Breuer, das Münchner Jazz-Original, setzt dunkle, volle Pastelltupfer, Herrlich, der passionierte Beboper, knüpft aus seinen flatternden Schleifen manch gordischen Knoten, während sich Budziat auf der schwerfälligen Bassposaune leichtfüßig durch jede Melodie schlängelt. Stars des Abends – wenn auch wider Willen – war freilich der an der schweizerischen Grenze lebende Australier Adrian Mears. Trotz seiner wirbelwindartigen Glissandi verblüfft dieser Wirbelwind mit fast übermenschlicher Präzision und grandiosem Differenzierungsvermögen.

Die Titel wachsen bei dieser instrumentalen Potenz von selbst in den Himmel. Der von Herrlich taufrisch aufgemotzte Jazzoldie „Caravan“, die Mears-Ballade „The Blessing of a beautiful Bride“ mit ihrem herrlichen choralartigen Intro, das prickelnde „Tiptoe“, bei dem alle vier Posaunen mit Stabenows Bass im Unisono einher schlendern, oder Don Pullens „Big Alice“, eine dampfende Gumbo-Nummer, die Eberhard Budziat mit einem Tuba-Intermezzo aufpeppt.