Trio Voyage | 01.09.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

(Tag unbekannt!)

Die Überraschung ist gelungen, zweifellos. Wer sich nämlich beim freitäglichen Konzert des italienischen Mundharmonika-Virtuosen Bruno de Filippi und seiner Begleitband „Trio Voyage“ im Neuburger Birdland-Keller nach dem ausgedruckten Programm orientierte und ein stilles, leises, beschauliches Stück Jazz erwartete, der wurde auf das Angenehmste an der Nase herumgeführt.

Lorenzo Petrocca, der in Stuttgart lebende italienische Kopf des „Trio Voyage“ hatte das Ensemble nämlich flugs um ein Schlagzeug sowie ein Piano bereichert und es so zu einem „Quintett Voyage“ anwachsen lassen. Die spontane Ergänzung geriet jedoch trotz anfänglich leichter Irritationen beim einmal mehr zahlreichen Publikum zu einem vollen Erfolg, nicht zuletzt deshalb, weil Bruno de Filippi bei der Auswahl seiner aktuellen Sidemen auf ein ganzes Sammelsurium talentierter Nachwuchsmusiker aus der süddeutschen Szene zurückgriff. Mit ihnen schaffte der symphatische Mailänder einen unerwartet weiten Brückenschlag vom romantischen Optimismus des Swing über das pulsierende Temperament des Bebop bis hin zum hitzigen Fieber des Hardbop. Kurzum: ein Jazzmenü in ständig wechselnder Zusammensetzung, das freilich immer gleichbleibend trefflich mundete.

Als Zutaten benützten die sechs Meisterköche Ingredenzien aus dem Real Book sowie wenige Eigenkompositionen, mit denen sie jede Menge delikater Notengerichte in die Hofapothekenaura zauberten, die vor allem durch eines lebten: nämlich Abwechslung. Agierte beispielsweise Bruno de Filippi mit seiner unverwechselbaren Mundharmonika, so stand er logischerweise völlig im Vordergrund. Sein schwerer, vibratoarmer, melancholischer Ton, den bereits Größen wie Louis Armstrong oder Frank Sinatra zu schätzen wußten, besitzt etwas sonderbar Erzählendes, Eingängiges, ja fast Nahbares. Wer allerdings Filippis Harp mangels Phantasie (wie so oft bei diesem Instrument) nur Ausdruckschancen für einfache Bluesthemen einräumt, der wurde bei den persönlichen Interpretationen von Antonio Carlos Jobims „Portrait in Black and White“ oder Quincy Jones` Ballade „Quintessence“ eines besseren belehrt.

Ohne den „Oldtimer“ Filippi startete das „Quintet Voyage“ freilich im Handumdrehen eine Attacke in Richtung Moderne. Das knackte richtig schön funkig, wenn der feine Trompeter Sebastian Studnitzky, der antreibende Pianist Joachim Scheu, der wohltönende Bassist Helmut Siegl und der angenehm dezente Drummer Armin Fischer für ihren Gitarristen Lorenzo Petrocca ein Rhythmusgeviert zimmerten, in dem dieser sich nach Herzenlust austoben konnte. In Petrocca wächst im übrigen ein ganz Großer unter den europäischen Saitenzupfern heran. Sein Single-Note-Spiel, das deutlich an Grant Green und Barney Kessel angelehnt ist, sprüht nur so über vor farbigen Modulationen, technischen Höchstschwierigkeiten und echtem Gespür für rassigen Swing.

Ein Erlebnis für sich bildete das nicht minder unerwartete Intermezzo der „Italian Connection“ Petrocca und de Filippi an der Gitarre. Das sinnliche Miteinander zum Django Reinhardt-Thema „Douce Ambience“, bei dem der flinke Junge dem abwägenden Alten nie davoneilte, war allein schon das Eintrittsgeld an diesem spritzigen Abend wert.