Trio Lhotzky – Davern – Mewes | 14.10.2005

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Altmodisch, ganz klar! Schublade auf, rein damit, Diskussion beendet! Immer häufiger ist es dieser unselige Hang zu Vorurteilen, der uns daran hindert, die Klasse eines musikalischen Ereignisses wirklich wertneutral zu beurteilen. Eines Konzertes des amerikanischen Wahnsinnsklarinettisten Kenny Davern und seiner deutschen Freunde Bernd Lhotzky (Piano) und Oliver Mewes (Schlagzeug) beispielsweise, das im Neuburger „Birdland“-Jazzclub ein eindruckvolles Plädoyer für barrierefreie Denkweisen hält – wenn auch diesmal aus einer anderen Sichtweise als der avantgardistischen.

Da gammelt oder schimmelt nichts vor sich hin, kein tüteliger Mief von Caféhaus-Romantik, bei dem man sich noch eine Schwarzwälder Kirsch bestellen muss, um die immer stärker werdenden Schmerzen zu betäuben, kein vor sich hin moderndes Denkmal, das um der alten Zeiten Willen regelmäßig von ewig Gestrigen in den Mittelpunkt gerückt wird. Der Jazz des munteren Trios atmet, lebt und besitzt in jeder Hinsicht seine Daseinsberechtigung, genauso wie Brahms, Bruckner und Mozart im 21. Jahrhundert weiter ein Thema bleiben.

Es kommt nur darauf an, wie man ihn spielt, ob große Vorlagen womöglich schablonengetreu kopiert werden oder aber wenigstens der Hauch von Eigenständigkeit durchschimmert. Davern, Lhotzky und Mewes sind in dieser Hinsicht über jeden Zweifel erhaben. Sie kreieren ein Programm aus Preziosen des Great American Songbooks und unbekannteren Standards, ein sahniger, aber niemals zu süßer Schmelz für den Gehörgang und die Seele. „Sweet Lorraine“, „Dinah“, die „Black and Tan Fantasy“ von Duke Ellington: Das sind wunderbare Hetzjagden zwischen Mewes und dem feinfühlig strukturierenden sowie technisch brillanten Lhotzky (35), bei denen ab und zu der doppelt so alte, jung gebliebene Davern mit seinem großen, reifen Ton, der auch in hohen Registern sein immenses Volumen behält, davon sprintet.

Wie sehr jedoch ein Drummer die Dramaturgie eines Sets in der Hand hält, stellt einmal mehr der großartige Oliver Mewes unter Beweis. Die Angst des Schlagzeuger vor dem Swing – er kennt sie nicht. Diese fast schon programmierten Hemmungen vor allem, was Spaß macht, was den Fuß zum Wippen bringt und die Seele baumeln lässt, hat der 38-jährige Kölner längst über Bord geworfen. So wie er rührt heute keiner mehr in den Fellen. Eine feinfühlig austarierte Melange aus Jo Jones, „Big Sid“ Catlett, Gene Krupa und Buddy Rich, deren Einflüsse Mewes absorbiert und zu einer eigenen, unglaublich präzisen Spielweise ausgeformt hat.

Mit seiner enormen Musikalität und einem phänomenalen Gehör schenkt er der Band einen frischen, schnurgerade tickenden Puls. Nichts Überflüssiges stört, alles kommt direkt auf den Punkt. Doch, dieser alte Wein schmeckt: edel, süffig, ungepanscht. Sozusagen der Cabernet Sauvignon des Swing.