Keine Frage: Er zählt unbestritten zu den Kronprinzen des Tenorsaxofons. Eine Art Peter Pan des Jazz sozusagen, omnipräsent, zauberhaft, verblüffend, überraschend, stets voller neuer Einfälle.
Immer wenn Seamus Blake im Neuburger „Birdland“-Jazzclub aufkreuzt, dann trägt die Band in seinem Schlepptau Gold. Eine Art Selbstläufer, ein Erfolgsgarant, der sogar Zufallskombinationen wie die des 29-jährigen Klagenfurter Schlagzeugers Klemens Marktl mit einem einzigen Solo zu veredeln weiß. Dem von „In A Sentimental Mood“ zum Beispiel. Das Horn hebt darin zum Gleitflug ab, lässt herrlich trockene, plastische Phrasen fallen und landet nach traumhaften sechseinhalb Minuten wieder mitten im Schoß des Quartett. Keine Frage: Ein Konzert mit Seamus Blake kann kein verlorener Abend sein.
Doch der Newcomer Marktl macht es einem nicht leicht. Die Hälfte seiner im Programm versprochen Combo hat er gar nicht erst dabei. Anstatt des pfiffigen Pianisten Aaron Goldberg nämlich, den schon Joshua Redman als Spezialisten für stimmige Farbkleckse holte, sitzt Rob Bagard auf dem Klavierstuhl: professionell, engagiert, aber dennoch unauffällig. Für den Bassisten Matt Penman ist sogar kurzfristig der völlig unbekannte Milan Nikolic eingesprungen. Bleiben noch der quirlige Leader Marktl, der die fantastische Geschichte eines Österreichers in New York sowie einige durchaus bemerkenswerte Kompositionen („Fat Cat“, „Last Hope“) schreiben kann, sowie Blake.
35 Jahre ist der New Yorker Sunnyboy mittlerweile alt, doch von seinem ganzen Habitus wirkt er eher wie postpubertäre 25. Sein Spiel freilich besitzt die Reife eines 65-Jährigen, den kein Hindernis mehr aus dem Konzept bringen kann. Auch wenn sich das Programm diesmal weitgehend auf Marktls eigene Stücke sowie bekannte Standards im Stile von „My One And Only Love“ beschränkt und Blakes übliche Spielereien mit Elektronik oder der Popkultur völlig ausklammert: Sein Ton ist Genuss pur, seine Struktur spannender als die allermeisten Krimis. In Balladen besitzt er die Effektivität und Größe eines Segeltuchs, bei Uptempo-Nummern wie „Anthrax“ die Präganz eines Steinmeißels.
Die Band verneigt sich derweil stumm vor ihrem großen Kollegen, reduziert die eigenen Soli auf das Nötigste und lässt dafür lieber Seamus Blake den Vortritt. Eine kluge Entscheidung, eine versöhnliche noch dazu. Dann lässt sich auch ein Konzert unter derart misslichen Voraussetzungen schlussendlich doch noch auf der Positivseite ablegen.