Tom Rainey Obbligato | 13.03.2015

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Musik mit ungeheurer Schubkraft: Schlagzeug und Bass als treibende Energiequellen, grollend, rollend, ohne Unterlass! „Obbligato“, die Band des aus L.A. stammenden New Yorker Drummers Tom Rainey, bot im Neuburger Birdland Avantgarde behauchten Powerjazz auf den Spuren einer sehr eigenwillig behandelten Tradition. Das Quintett zeigte, wie intensiv sich auch der Jazz moderner Prägung die klassischen Standards des Genres zu Eigen machen kann.

Mitnichten traditionsvergessen ist eine Musikauffassung, die sich jede Menge Freiheit nimmt in der individuellen Interpretation von Klassikern wie Duke Ellingtons „Prelude to a Kiss“, Dave Brubecks „In Your Own Sweet Way“ oder Thelonious Monks „Reflections“. Es ist ja geradezu das Vorrecht des Jazz, Vorlagen kreativ und kollektiv der Originalität des Augenblicks anzuverwandeln.

Das „Obbligato“ (im Englischen tatsächlich mit Doppel-B!) der Themen vollzog sich dabei weitgehend implizit, wurde vorausgesetzt zur ebenso „obligaten“ Improvisation, in der die Melodien oft versetzt, verwandelt, gegeneinander geschaukelt und verfremdet wurden, ein wenig so, wie Picasso Aug‘ und Ohr ja auch nicht an der vermeintlich „richtigen“ Stelle malte.

Zwischen Powerplay und Askese erzeugten Drew Gress am Bass, Tom Rainey am Schlagzeug, Ingrid Laubrock am Tenorsaxophon, Ralph Alessi an der Trompete und die verbindend quirlige Kris Davis am Piano schier schwindelnde Turbulenzen aus weidlich bekannten Weisen. Dass der spiritus rector dieser Musik auf dem Schlagzeughocker saß, gab ihr einen ganz speziellen, energiegeladenen Drive. Der tat den alten Standards gut und trieb den Winter aus den Knochen.