Tom Harrell Quintet | 05.11.2010

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Palma de Mallorca, Kopenhagen, Paris, Neuburg an der Donau: Sein einziges Konzert in Deutschland gab Tom Harrell im hiesigen Jazzclub. Was ohne Zweifel richtig stellt, wo in der Region stetiger Herzschlag des Jazz erlebt werden kann. Es war ein sensationeller Abend im Birdland, wohin die Fans aus Nah und Fern gepilgert waren um einen der herausragenden Trompeter unserer Tage bei einem seiner extrem raren Auftritte live zu erleben.

Und nicht nur Tom Harrell, fast sagenumwoben, spielte eines der schönsten Konzerte, die das Birdland je erlebte, auch die handverlesene Band zeigte, wie hoch die Latte liegen kann. In Sachen Groove, kompaktem Sound, Abstimmung und satter Power macht dem Quintett sowieso niemand auch nur ein Fädchen vor. Was aber an Herz, Empfindsamkeit und tiefer Einsicht in existentielle Fragen – unglaublich beeindruckend die Ballade Harrells mit Danny Grissett am Piano – in dieser Musik steckt, lässt sich kaum ermessen. Jeder Ton des Abends hat Substanz, nichts ist zufällig, nichts entsteht aus Verlegenheit, nichts aus leerer Rhetorik. Dass Tom Harrell mitten im Set kurz von der Bühne geht um seine Trompete zu richten, ist der Perfektion geschuldet, dass er trotz schwerer Krankheit in atemberaubender Musikalität schimmernde Perlenketten und gleißende Girlanden in den Keller projiziert, spricht für die Flamme, die in ihm brennt.

Die Band mit dem fulminant aufspielenden Wayne Escoffery am Tenorsaxophon, dem Tasten-Hexenmeister Danny Grissett an Fender Rhodes und Bösendorfer, dem Groovegaranten Ugonna Okegwo am Bass und dem Rhythmus-Kraftwerk Jonathan Blake am Schlagzeug bleibt nichts an Erwartungen schuldig, wäre allein den Abend wert gewesen. Groove, Phantasie, Substanz, eine Band der Superlative mit Soli, die weit tragen, und einem so sensiblen wie musikalisch spendablen Tom Harrell, der an Trompete und Flügelhorn eine ganze Welt in Musik zu fassen vermag!