Tim Allhoff Piano Solo | 26.11.2022

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

Es war eine eigentümliche Stimmung an diesem Abend im Birdland-Jazzkeller, intensive Stille herrschte im voll besetzten Gewölbe, viele Zuhörer schlossen immer wieder die Augen, um die sanfte Kraft der Töne des Klaviersolisten Tim Allhoff rundum ungetrübt genießen zu können. Der Pianist aus Augsburg hatte sich diese Art des Zuhörens gewünscht und er machte es seinem Publikum leicht, mit ihm auf eine wunderbare musikalische Reise zu gehen.

Man kann wohl sagen, dass die besten Klangwelten, die im edlen Bösendorfer-Flügel des Birdland Neuburg stecken, selten so zur Entfaltung gekommen sind wie beim Auftritt von Tim Allhoff. Der Mann ist schon optisch eine Erscheinung – auf seinen linken Arm ist ein sauber konturierter Bass-Schlüssel tätowiert, auf den rechten ein Violinschlüssel, garniert mit diversen Hämmerchen. Diese Hämmerchen, die in der feinen Mechanik des Flügels die Saiten anschlagen, brachte Allhoff derart ausdrucksstark zum Schwingen, ja zum Singen, dass es ein besonderer Abend werden konnte.

Anschlagen ist vielleicht nicht ganz der passende Ausdruck. Allhoff streichelt die 88 Tasten des Flügels, er gibt ihnen liebevolle, kleine oder größere, aber immer ganz klare Impulse. Seine Faszination liegt in den leisen Tönen, in den sanften Melodien. Und wenn er mal in Fortissimo geht, dann donnert er nicht die Tastatur rauf und runter, sondern macht die reine Lautstärke zum Diener des musikalischen Sinns seiner Titel.

Den ganzen Abend hindurch ist zu spüren, dass dieser Mann eine umfassende Ausbildung auch als klassischer Pianist genießen durfte. Im Titelsong seiner aktuellen CD „Moria“ und in anderen Nummern wie „All of you“ sind immer wieder feine Anklänge an Bach, Schubert oder auch an einen allzu berühmten langsamen Satz Ludwig van Beethovens herauszuhören, auf raffinierte Weise mit den harmonischen und rhythmischen Freiheiten des Jazz verschmolzen.

Dieser Tim Allhoff versteht es, einfache Melodien wie aus Robert Schumanns „Album für die Jugend“ mit seinem Tastenanschlag und seinen klug eingesetzten Stilmitteln zu musikalischen Preziosen zu formen. Hier eine kaum hörbare Verzögerung im Fluss der Töne, dort ein überraschender Einwurf aus dem improvisatorischen Gefühl des Augenblicks – und schon ist man vom einem betörenden Wohlklang umfangen, der aber nirgends die Grenze zum Sentimentalen überschreitet. Ein überzeugendes Kunststück aus Allhoffs Fundus liefert etwa seine Version der klassischen Jazz-Ballade „Day dream“ von Billy Strayhorne.

Und dann „Leas Song“, ein Lied ohne Worte, von schwebender Leichtigkeit, aber auch mit einem elegischen Grundton durchzogen und zwischen Dur und Moll chargierend. Am Ende löst sich diese geheimnisvolle Musik der Unentschiedenheit in einen warmen, klaren Dur-Akkord auf. Nicht nur die reale Lea, die bei diesem ihr gewidmeten Song besonders genau zugehört hatte, war am Ende angerührt. Schöner und reicher an Farben und Emotionen kann ein Jazzstück schwerlich klingen.