Tim Allhoff Piano Solo | 26.11.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der Pianist und Echo-Preisträger Tim Allhoff ist nach langjähriger Bandtätigkeit nun auch als Solist unterwegs und schlägt derzeit weithin sicht- und hörbare Pfosten in die deutsche Jazzlandschaft. In dieser Mission und mit seinem neuen Soloalbum „Morla“ im Gepäck, ist er zu Gast im Birdland Jazzclub in Neuburg und outet sich dabei als Geschichtenerzähler am Flügel mit Charme, Herzenswärme und in musikalischer Hinsicht mit einem enormen stilistischen Background.

Seinem Rat ans zahlreich erschienene Publikum „Schließt doch einfach die Augen und malt euch eine eigene Geschichte aus!“ kann man getrost folgen, ist doch diese Methode am besten geeignet, um sich in die Spielweise und auch in den inhaltlichen Hintergrund der einzelnen Stücke zu versenken. Allhoff lehnt sich entspannt zurück, kriecht dann wieder förmlich hinein in die Tastatur, bedient sich eines feinen, ja, zärtlichen Anschlags, zeigt Emotionen und Gefühle, während seine Zuhörerschaft die Seele baumeln lässt. „Lea’s Song“, geschrieben für eine im Auditorium anwesende junge Dame, „Namiko“ für eine imaginäre Tochter des Meeres und „Morla“ für die Schildkröte in Michael Endes „Die unendliche Geschichte“, die Bearbeitungen von Jazz-Standards wie „All The Things You Are“ und „All Of Me“ bis hin zu Billy Strayhorn’s „Daydream“ als absolutem Highlight des Abends, schließlich eine brandneue Kompositionen mit dem vorläufigen Arbeitstitel „Prisma“ – jedes Stück lässt Raum für gedankliche Spaziergänge, hat Platz für träumerische Momente, für emotionale Tastenfantasien.

Bei einer so feinen Spielweise wie der Allhoffs ergeben der superbe Klang des Bösendorfer-Flügels und die hervorragende Raumakustik des Birdland-Kellers ein optimales Hörerlebnis. Es verwundert nicht, dass man trotz voller Besetzung keinen Mucks hört. Man genießt einfach. Auch die Tatsache, dass Allhoff sich nicht mit Jazz begnügt. Er kommt eigentlich von der Klassik, was sich mit „Gigne“, einem heiteren Barock-Tanz, ebenso äußert wie mit Robert Schumann und Felix Mendelsohn-Bartholdy, ist dem Blues nicht abgeneigt – Allhoffs Version von Bobby Timmons‘ „This Here“ ist ein weiterer Höhepunkt des Abends – und auch dem Pop nicht, lässt er doch in der ersten von zwei Zugaben auch noch „Hello Goodbye“ von den Beatles in stark veränderter Form erklingen.

Tim Allhoff ist an diesem Abend, der wieder einmal unter dem Motto „Art Of Piano“ steht und die gleichnamige Birdland-Reihe mit dem Konzert Nummer 236 für das Kalenderjahr 2022 abschließt, ein erneuter Beleg für die enorme Qualität dieser Extra-Abteilung innerhalb des Jahresprogramms. Craig Taborn, Jacky Terrasson, Emmett Cohen, Marc Copland, Richie Beirach, Tamir Hendelman waren innerhalb eines Jahres zu hören und zu sehen. Sie alle gehören zur Weltspitze. Und nun auch noch Tim Allhoff, der auf einem guten Weg dorthin ist. Wie all die anderen gibt auch er auf seine ureigenste Weise seine musikalische Visitenkarte ab und wie in all den anderen Fällen ist das Publikum hingerissen. – Kein Wunder bei einem Musiker, der einen zwei Stunden lang dermaßen in seinen Bann zieht.