Allotria Jazz Band – Audi Forum Ingolstadt | 24.11.2022

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wie in jedem Bereich gibt es auch innerhalb der Jazzgemeinde Leute, die das Risiko eher meiden und lieber auf Nummer sicher gehen. Und natürlich ist es völlig legitim, statt auf herausfor­dernde Musik lieber auf Altbe­währtes zu setzen, wenn man einen an­genehmen und entspannten Abend ver­bringen möchte. Wer sich dieser Fraktion zugehörig fühlt, liegt bei der sturmer­probten und seit ihrem Gründungsjahr 1969 perma­nent präsenten Allotria Jazz­band absolut richtig.

Die Herren Rainer Sander (Klarinette, Altsaxofon), Colin T. Dawson (Trompe­te, Gitarre, Gesang), Andrey Lobanov (Trompete), Mathias Götz (Posaune), Thilo Wagner (Klavier), Peter Cischeck (Kontrabass) und Gregor Beck (Schlag­zeug) erfüllen die Erwartungen ihres Pu­blikums auf überaus angenehme und souveräne Weise. Jeder im gut besuch­ten Audi Forum ist sich selbstverständlich im Klaren darüber, dass es sich beim Reper­toire der Band weniger um eine tiefe Verbeugung vor einem ein­zelnen Musi­ker handelt, sondern vielmehr vor ei­ner ganzen Ära, der des Oldtime Jazz näm­lich, es um eine Sammlung von bekannt­en und gott­lob auch ein paar weni­ger be­kannten Stücken aus einer längst vergan­genen Epoche geht, um Oldies, Ever­greens, Klassiker oder Standards. Oder wie auch immer man Benny Goodman’s „All The Cats Join In“ , den „Down Home Rag“ von 1911 oder Louis Prima’s „Ain’t Got Nobody“ bezeichnen möchte. Und wenn das Audi­torium immer wieder heftig Beifall spen­det, geht es wohl auch nicht nur aus­schließlich um die Würdi­gung der sei­nerzeitigen Kreativität bei der Erschaf­fung so zeitlo­ser Melodien wie Neal Hefti’s „Them There Eyes“ oder Jelly Roll Morton’s „Wolverine Blues“, son­dern es wird auch irgendwie das rei­bungslose Funktionie­ren des eige­nen Gedächtnis mit be­klatscht. Nun ja, was man besonders gut kennt und über die Jahre liebgewonnen hat, kommt beim erneuten Hören bekanntlich besonders gut an.

Diese Reaktion ist nachvollziehbar und der Musikbetrieb lebt von ihr. Der Jubel beim Stones-Konzert ist bei „Satisfacti­on“ erfahrungsgemäß am größten und Mozart und Beethoven locken in der Re­gel mehr Leute an als Stockhausen oder John Cage. Natürlich ist die Ausführung entscheidend. Man hat als Hörer oftmals gespielter Stücke wie Ellington’s „East St. Louis Doodle-Oo“ und Good­man’s „Sing Sing Sing“ vermehrt Vergleichs- m­öglichkeiten, hat schon mal gute und we­niger gute Versionen ein und dessel­ben Stücks gehört. In dieser Hinsicht ste­chen die Bearbeitungen der Allotria Jazz­band na­türlich heraus. Nahezu kein vergleichbares Ensemb­le verfügt über derart viel Erfah­rung im Zusammenspiel und auch im Umgang mit dem Publikum – denn die Band ist nicht nur ein gut ge­schmiertes Kollektiv, sondern immer auch eine Art Showband – , über derma­ßen viel Souve­ränität im Vortrag und über so viel Routi­ne.

Wobei man letztere dem Septett aber gar nicht anmerkt. Die Musiker spielen das, was sie tagtäglich in unzähligen an­deren Konzertsälen auch spielen und die Menschen im Audi Forum haben – wider besseres Wissen natürlich – trotzdem den Eindruck, hier finde speziell für sie ein einmaliges Ereignis statt. Musikalische Qualität und passendes Enter­tainment reichen sich die Hand. Mehr braucht’s nicht für einen rundum gelun­genen Abend.