Wie in jedem Bereich gibt es auch innerhalb der Jazzgemeinde Leute, die das Risiko eher meiden und lieber auf Nummer sicher gehen. Und natürlich ist es völlig legitim, statt auf herausfordernde Musik lieber auf Altbewährtes zu setzen, wenn man einen angenehmen und entspannten Abend verbringen möchte. Wer sich dieser Fraktion zugehörig fühlt, liegt bei der sturmerprobten und seit ihrem Gründungsjahr 1969 permanent präsenten Allotria Jazzband absolut richtig.
Die Herren Rainer Sander (Klarinette, Altsaxofon), Colin T. Dawson (Trompete, Gitarre, Gesang), Andrey Lobanov (Trompete), Mathias Götz (Posaune), Thilo Wagner (Klavier), Peter Cischeck (Kontrabass) und Gregor Beck (Schlagzeug) erfüllen die Erwartungen ihres Publikums auf überaus angenehme und souveräne Weise. Jeder im gut besuchten Audi Forum ist sich selbstverständlich im Klaren darüber, dass es sich beim Repertoire der Band weniger um eine tiefe Verbeugung vor einem einzelnen Musiker handelt, sondern vielmehr vor einer ganzen Ära, der des Oldtime Jazz nämlich, es um eine Sammlung von bekannten und gottlob auch ein paar weniger bekannten Stücken aus einer längst vergangenen Epoche geht, um Oldies, Evergreens, Klassiker oder Standards. Oder wie auch immer man Benny Goodman’s „All The Cats Join In“ , den „Down Home Rag“ von 1911 oder Louis Prima’s „Ain’t Got Nobody“ bezeichnen möchte. Und wenn das Auditorium immer wieder heftig Beifall spendet, geht es wohl auch nicht nur ausschließlich um die Würdigung der seinerzeitigen Kreativität bei der Erschaffung so zeitloser Melodien wie Neal Hefti’s „Them There Eyes“ oder Jelly Roll Morton’s „Wolverine Blues“, sondern es wird auch irgendwie das reibungslose Funktionieren des eigenen Gedächtnis mit beklatscht. Nun ja, was man besonders gut kennt und über die Jahre liebgewonnen hat, kommt beim erneuten Hören bekanntlich besonders gut an.
Diese Reaktion ist nachvollziehbar und der Musikbetrieb lebt von ihr. Der Jubel beim Stones-Konzert ist bei „Satisfaction“ erfahrungsgemäß am größten und Mozart und Beethoven locken in der Regel mehr Leute an als Stockhausen oder John Cage. Natürlich ist die Ausführung entscheidend. Man hat als Hörer oftmals gespielter Stücke wie Ellington’s „East St. Louis Doodle-Oo“ und Goodman’s „Sing Sing Sing“ vermehrt Vergleichs- möglichkeiten, hat schon mal gute und weniger gute Versionen ein und desselben Stücks gehört. In dieser Hinsicht stechen die Bearbeitungen der Allotria Jazzband natürlich heraus. Nahezu kein vergleichbares Ensemble verfügt über derart viel Erfahrung im Zusammenspiel und auch im Umgang mit dem Publikum – denn die Band ist nicht nur ein gut geschmiertes Kollektiv, sondern immer auch eine Art Showband – , über dermaßen viel Souveränität im Vortrag und über so viel Routine.
Wobei man letztere dem Septett aber gar nicht anmerkt. Die Musiker spielen das, was sie tagtäglich in unzähligen anderen Konzertsälen auch spielen und die Menschen im Audi Forum haben – wider besseres Wissen natürlich – trotzdem den Eindruck, hier finde speziell für sie ein einmaliges Ereignis statt. Musikalische Qualität und passendes Entertainment reichen sich die Hand. Mehr braucht’s nicht für einen rundum gelungenen Abend.