Till Brönner OCEANA | 03.03.2006

Donaukurier | Lorenz Erl
 

Till Brönner jazzt einfach. Genial einfach. Die Trompete ist das Medium zu seinem Gefühl für Jazz und der Jazzer, der bei vielen als Deutschlands einziger ernst zu nehmender Popmusiker mit Weltniveau gilt, schält mit seinem Ansatz die Seele des Jazz hervor.
Sein neues Album „OCEANA“ kommt erst in wenigen Wochen auf den Markt, aber im „Birdland-Jazzclub“ in Neuburg stellt er einige der Einspielungen bereits vor. Till Brönner steht am Dienstag und Mittwoch auf der kleinen Bühne im Kellergewölbe, hält die Augen geschlossen, legt los. Zwei Abende hintereinander zieht er das Publikum in seinen Bann, arrangiert alte Songs um, bietet neue – eigene Kompositionen und lässt die Klänge fließen. Das Eröffnungsstück „Bumpin“ von Wes Montgomery zeigt den roten Faden für seine Musik auf. Zusammen mit den Begleitmusikern Johann Leijonhufvud an der Gitarre, dem Pianisten Daniel Karlsson, Christian von Kaphengst am Bass und dem Drummer Sebastian Merk zaubert er erstaunlich klare Klangerlebnisse und gibt dem kalten Blech seiner Trompete ein faszinierendes Eigenleben.
Er lässt in den Arrangements überflüssige Speckröllchen weg, befreit sie von belastenden Schnörkeln und setzen auf Geradlinigkeit. Er gibt dem Publikum einen leichten, ruhigen, gleitenden Einstieg in den Jazz-Genuss und entlässt die flirrenden, keckernden, wirbelnden Töne – aufwallende dirty notes – in den Raum. Das Kellergewölbe im „Birdland“ fungiert wie ein perfekter Schalltrichter. Kein Pianoanschlag, keine gezupfte Saite und schon gar kein Lufthauch aus der Trompete geht in dieser Geradlinigkeit verloren. Bald nach den Auftritten in Neuburg startet Till Brönner zu seiner Welttournee, doch hier gibt er sich wie zu Hause. Den Jazzclub und seine Betreiber hat er ins Herz geschlossen und das lässt er seinem Publikum wissen. „Wir spielen aus Spaß an der Freude,“ sagt er und legt los. Die Trompete ist sein Resonanzboden, um die Seele des Jazz – die Schwingungen hinter den Noten – in die Freiheit zu schicken. Mitunter legt der vielseitige Musiker das Instrument zur Seite und singt. „I´m confession that I love you,“ heißt eines dieser Stücke. Ähnlich wie die Sprache seiner Trompete ist auch sein Gesang einfühlsam, ausdrucksstark, auf das Wesentliche ausgerichtet. Dann greift er wieder zur Trompete und spielt „The Peacocks“ von Jimmy Rowles.
Till Brönner verlässt den ruhigen, fließenden Sound, spaltet mit messerscharf schneidendem Trompetenfortissimo die Schädel und stößt tief ins Fleisch. Dann glätten seine gleitenden, schleifenden, purzelnden Töne wieder die aufgewühlten Sinne. Die Kaskade an Musik wird wunderbar aufgefangen und weitergetragen von seinen Begleitmusikern, von Daniel Karlsson mit dem Piano in Bahnen gelenkt und mit wahnwitzig schnellen Fingerspielen des Gitarristen Johan Leijonhufvud erneut zu Magma verflüssigt. Till Brönner lässt seinen Musikern Raum für eigene Soli. Immer wieder darf Leijonhufvud die Saiten flirren und Pianist Karlsson die Tasten purzeln lassen.
Für seinen Keller-Auftritt in Neuburg hat Brönner eigens am Montag noch einen Song geschrieben. „Newcastle Boogie“ nennt er ihn. Rhythmisch, bewegt folgt die Welturaufführung, und der Sound hat gute Chancen, keine Eintagsfliege zu werden. Nur eine kurze Pause gönnen sich die Musiker. Ein zweites Stück haben Dany Karlsson und Brönner ebenfalls noch für ihren Auftritt komponiert. „Almost done“ heißt es deshalb, weil es nach ihren Ohren nur fast fertig geworden ist. Das Publikum begeistert sich dennoch ohne Abstriche. Dann schwenkt Till Brönner um. Er spielt ein Stück, das er lange abgelehnt und nun doch ins Repertoire aufgenommen hat. „Dany Boy“ ist eine irische Volksweise. Die Melodie ist bekannt, aber Brönners Trompete generiert zur musikalischen Wundertüte und das Irish-Folk-Stück zur Traumnummer des Abends.
Glasklare, fröstelnde Stille umgibt die Trompetenstimme. Sanft steigen die anderen Instrumente ein und breiten die Weite der grünen Insel aus – Folk und Jazz in Symbiose. Till Brönner und seine Männer dürfen die Bühne nicht ohne Zugabe verlassen. Er wählt das Liebesthema aus dem Film „China Town“ und setzt Töne wie aus Pastellfarben in einen breiten Klangstrom. Die letzten Klänge bleiben seinem Solo vorbehalten.