Till Brönner OCEANA | 07.03.2006

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Was gibt es Besseres um eine neu formierte Band zusammen zu schweißen als einen ersten gemeinsamen Auftritt an einem Ort, wo der Spirit improvisierter Musik geradezu ins Mauerwerk eingedrungen ist? Till Brönners Konzerte im Birdland Jazzclub zeigten eine Band, die noch als work in progress zu verstehen, gleichzeitig gerade darum von offener und optimistischer Spiellaune geprägt war.

Es ist eine Sache, ein Album einzuspielen, eine andere, die Musik dann auch live zu präsentieren. Wenn dazu kommt, dass die im Studio produzierten Stücke erst noch in einen road-tauglichen Zustand überführt werden müssen, ergeben sich spannende Momente. Der First Take der Band atmet Offenheit, konzentriertes Wohlwollen, ein Stück Abtasten und mehr und mehr zueinander Finden, gibt Gelegenheit zu ausgiebigen Soli, zu Tankstops für den Teamgeist, lässt hören, wer und was wie zum wem passt. Im Stadium des erst noch „Almost done“, wie ein am Vortag entstandenes neues Stück benannt war, kann die Band ausprobieren, testen, kennenlernen und sich aufeinander einstellen. Daran als Zuhörer teilnehmen zu können, ist von hohem Reiz. Nicht das fertige Produkt aus dem Ladenregal zu nehmen, sondern den rough mix authentisch mit zu erleben, macht vor der Bühne sicher ebenso viel Spaß wie das Zusammenspiel auf dem Podium.

Till Brönner und seine Mitstreiter gaben ihre zwei Konzerte in Neuburg vor allem jedoch deshalb, weil es ihnen einfach Spaß machte und weil sie die Atmosphäre des Birdland ebenso genießen wie sie seinen Präsidenten schätzen. Sogar ein eigenes gleichfalls am Vorabend entstandenes Stück wurde dem Club gewidmet: Der „Newcastle Boogie“ passt hervorragend zum genius loci, Hardbop-getränkt, funky, straight und wie das ganze Konzert rein akustisch dargeboten. Till Brönner ist – das zeigt sich einmal mehr – ein denkbar kompletter und vielseitiger Trompeter, spielt technisch auf höchstem Niveau. Er kann schmettern und schmeicheln, verfügt über ein absolut perfektes Timing, pflegt gleichzeitig bei aller Variabilität einen unverkennbaren und unverwechselbar eigenen Sound, der allem, was er spielt, eine intensive Aura und hohe künstlerische Substanz verleiht.

Mit Christian von Kaphengst am Bass, Sebastian Merk am Schlagzeug, Johan Leijonhufvud an der Gitarre und dem fabulös aufspielenden Daniel Karlsson am Bösendofer wächst im Laufe des Abends ein Quintett ausgezeichneter Musiker hörbar zusammen. In den sehr losen Arrangements gibt es ausreichend Entfaltungsmöglichkeiten für die Einzelnen, offen, locker, ungezwungen zu spielen. Eigene Kompositionen und Standards stehen gleichberechtigt nebeneinander, Henry Mancinis „Sharade“ kommt temperamentvoll und offensiv, Brönners eigenes Stück „A Distant Episode“ als melancholische Ballade, und der gute alte irische „Danny Boy“ erstickt jeden Hauch von Kitsch- oder Kommerzverdacht im Ansatz, kommt er doch in unmittelbar authentischer Musikalität ins Gewölbe spaziert – einfach wie es ihm Spaß macht.