Eine Frage stellt sich bei solchen Anlässen immer wieder: Hat man diese alten Swing-Nummern von Duke Ellington, Count Basie und Benny Goodman nicht allmählich oft genug gehört? Die Antwort aller Fans von „Tea For Fwo“, „Love For Sale“ und all der anderen Klassiker aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist ein eindeutiges „Nein“. Nicht umsonst ist der Neuburger Birdland Jazzclub schließlich wieder mal komplett ausverkauft, als The Three Wise Men dort gastieren.
Warum diese nicht enden wollende Begeisterung für Musik, die fast 100 Jahre auf dem Buckel hat? Weil sie alles hat, was sie zeitlos macht, herrliche Melodien, flotte Rhythmen und Harmonien, die beim Hörer unweigerlich ein Wohlgefühl auslösen. Und warum soll man auch nicht ein klein wenig in Nostalgie schwärmen? Fans von Elvis Presley, den Beatles und von Abba tun dies ja auch. Die verehren sogar all die unzähligen Revival-Bands, deren Hauptbestreben darin liegt, möglichst genauso auszusehen wie die Originale und deren Musik Ton für Ton nachzuspielen.
Was ein komplett anderer Ansatz ist als der, den The Three Wise Men verfolgen. Nachdem das Original nur per Konserve, aber nicht live verfügbar ist, geht es in diesem Fall nicht ums Kopien, sondern um Aktualisierung, Entstaubung und in einigen Momenten sogar um Erneuerung. Der Holländer Frank Roberscheuten (Tenor- und Altsaxofon, Klarinette), der in New York lebende Mailänder Rossano Sportiello am Klavier und der Münchener Schlagzeuger Michael Keul sind dafür genau die richtigen. Eine ihrer jüngsten Platteneinspielungen heißt „Jukebox“, und genau an eine dieser altehrwürdigen Geräte aus dem Hause Wurlitzer oder Rock-Ola erinnert deren Setlist. War die Box gut bestückt, war sie der absolute Renner in den Juke-Joints der damaligen Zeit. Auch das Repertoire der Three Wise Men ist geschickt konzipiert, denn es enthält nicht nur eine Reihe bekannter Hits, sondern auch nicht gar so oft gespielte Songs von Bud Powell, Dave Brubeck und Gerry Mulligan und riskiert auch mal einen Blick zurück in die Ragtime-Ära oder nach vorne in Richtung Bebop.
Das Trio funktioniert wie geschmiert, niemand spielt angeberisch mit dem Gaspedal, der Motor brüllt nicht auf, sondern schnurrt ganz entspannt dahin, völlig unangestrengt, routiniert, engagiert. „Er läuft und läuft und läuft“ hieß das mal in der Reklame. Roberscheuten, der am Saxofon Lester Young und Coleman Hawkins hochleben lässt, Sportiello, ein Multistilist, der Ludwig van Beethoven ebenso in sein Spiel einbaut wie das Stride Piano Fats Waller’s, und Michael Keul als ruhender Pol und gleichzeitig unerbittlicher Pulsgeber im Hintergrund, entfachen vor allem in der zweiten Hälfte des Konzerts fast schon einen Sog, in den man sich als Swing-Fan natürlich liebend gerne hineinziehen lässt. Weil’s ganz einfach richtig Spaß macht.
Ja, Swing ist – an diesem Abend wird’s mal wieder mal deutlich – Musik nicht nur für den Kopf, sondern auch für die Beine, das Herz und die Seele. Früher, zu Zeiten der Jukeboxes in den Kneipen und der Schellacks zuhause, war er die Musik der Charts, war äußerst begehrt und verkaufte sich dermaßen gut, dass sich sogar große Big Bands finanzieren ließen, was heute, zu Zeiten des normierten Formatradios und maschinell erstellter Playlists, kaum noch vorstellbar ist.