Thomas Rückert Trio | 09.01.2004

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Es ist auch ein wenig die Geschichte zweier Nürnberger Musiker, die nur für ein paar Tage nach Brasilien fahren wollten, dann aber gleich mehrere Monate blieben. In dieser Zeit ließen sie sich von der funkelnden Magie des Bossa Nova infizieren, lernten dessen spezifische Spielweise, die Leichtigkeit, mit der Noten unterm Zuckerhut hüpfen, und gleich mehrere der Pioniere dieser Stilrichtung kennen, die sie wie selbstverständlich in ihren Kreativ- und Familienkreis aufnahmen.

Dass einer der beiden nach der musikalischen Gehirnwäsche sogar seinen Namen änderte, spricht wohl am deutlichsten für die Macht jener geheimnisvollen Melange aus Jazz, Pop und Samba. Aus dem Gitarristen Neli Schmidkunz wurde Paulo Morello, während Saxofonist/Flötist Kim Barth entschied, dass seine bisherige Identität durchaus Südamerika kompatibel sein könnte. Wie wenig die beiden jungen Deutschen tatsächlich inmitten ihrer echten Brüder im Geiste auffallen, erfuhren die Besucher des Museums Mobile im Audi-Forum bei ihrem (vergeblichen) Versuch herauszufinden, wer denn nun eine der versprochenen „Legends“ sei.

Aber irgendwie kam es an diesem Abend gar nicht einmal so sehr darauf an. Denn auch die Schanz hat offenbar den Bossa Nova als zeitgeistiges Lebensgefühl entdeckt, selbst wenn dessen angekündigter Urvater Johnny Alf und seine Frau Alaíde Costa diesmal krankheitsbedingt fehlten. Statt ihrer hatten Morello, Barth sowie deren drei Kompadres Cidinho Teixeira (Piano), Lucio Nascimento (Bass) und Fernando Pereira (Drums) einen in jeder Hinsicht akzeptablen Vokalersatz mitgebracht: Pery Ribeiro und Leny Andrade verströmen einen Hauch von Buena Vista Social Club im Museum, ohne ihre Performance gleich von dickem musealen Staub ersticken zu lassen.

Ribeiro, der noble Dandy mit den rauchigen Samtorgan, und Andrade, die sanfte Lady mit dem facettenreichen, präzise funktionierenden Alt und der glasklaren Intonation gleiten wie die Mauersegler durch die schwüle Atmosphäre der luftigen Songs. „Eu vou Voltar“, eine Art dunkelblauer Fernwehruf, besitzt die imaginäre Kraft von Meeresrauschen und kreischenden Möwen, während Pery Ribeiros fast flehendes und nur von Morellos akustischer Gitarre begleitetes „Manha de Carnivale“ genau jene emotionale Ader freilegt, die pragmatisch tickende Konsumenten nur allzu gerne verleugnen.

Wie überhaupt die Musik der Sieben eine ganz besonders trügerisch- schmissige Oberflächlichkeit suggeriert. Sicher: Das Mischverhältnis der entspannten Soli, der Vielfalt der Brazil-Stile, der saftigen tanzbaren Nummern und des ausdrucksstarken Gesangs liegt häufig bei 75 Prozent Pop, fast 25 Prozent Samba und ein paar Promille gut getarntem Jazz. Doch wenn Leny Andrade aus Dizzys Gillespies „Night in Tunesia“ in einen mystisch schleppenden Rhythmus umgießt, dann tauchen glitzernde Sterne am flirrenden Bossa-Firmament sowie eine wellenförmige, erstaunlich modale Passage von Rio nach Tunis, von der heiteren Volksmusik zur anspruchsvollen Improvisation auf.

Das Auditorium honoriert gerade solche Ausflüge mit Ovationen und ist dankbar dafür, doch nicht auf ausgelatschte Pfade geschickt worden zu sein. Zwei fränkischen Brasilianern, die ausgezogen waren, um das Geheimnis des Bossa Nova zu ergründen, sei Dank.