Thomas Doblers „New Baroque Trio“ | 08.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Johann Sebastian Bach trifft Duke Ellington, Leipzig trifft New York und ein Genie des Barock trifft auf eines des Jazz. Möglich machen dies der Vibrafonist Thomas Dobler aus dem schweizerischen Lausanne, der zusammen mit dem Kontrabassisten Miguel Angel Cordero und der Geigerin Caroline Lambelé im Birdland im Rahmen der 74. Neuburger Barockkonzerte konzertiert.

Seit Jacques Loussier’s „Play Bach“-Projekten zu Beginn der 1960-er Jahre gab es immer wieder Versuche, Klassik ganz allgemein mit Jazz, Rock und Pop zu kombinieren, mal mehr, mal weniger gelungene, wobei gerade das Werk Bachs als Ausgangsbasis immer wieder als Ausgangsbasis diente. Das New Baroque Trio – so nennt Dobler seine Combo – tut dies in der ersten Hälfte des Konzerts auch, stellt nach der Pause aber Georg Friedrich Händel in den Mittelpunkt des Geschehens und reichert das Repertoire an um Philipp Rambeau und Henry Purcell.

Doblers Ziel ist es, die beiden Epochen und Genres nicht nur nebeneinander zu stellen, sondern nach Möglichkeit eine Verschmelzung herbeizuführen. Freilich merkt man als Zuhörer, wo in einem bestimmten Abschnitt einer Kompositionen gerade der Schwerpunkt liegt, wenn Dobler gerade nach Art des Jazzers soliert, während Lambelé gleichzeitig mit klassischen Floskeln und Figuren Basisarbeit leistet, wenn das Metrum plötzlich zum Groove wird und Freiräume für Improvisationen, die es ja auch bei Bach gibt, individuell genutzt werden, wobei sich Cordero und Dobler besonders hervortun. Dennoch, es findet tatsächlich die angestrebte Umarmung von Barock und Jazz statt, in manchen Momenten ist sie in der Tat überaus innig und auch richtungsweisend. So überzeugend wie dieses Trio kriegt dies wohl so schnell niemand hin.

Anders herum freilich wird es schwieriger, weswegen es auch nur ganz wenige Versuche in diese Richtung und noch weniger Beispiele dafür gibt, dass es überhaupt funktioniert. Wenn Bach „verjazzt“ wird, warum wird dann eigentlich Duke Ellington nicht „verklassikt“? Dobler hat dessen „Prelude To A Kiss“ zwar im Programm, belässt es aber im Original, um dem Publikum den Unterschied zwischen „echtem und falschem Jazz“ (O-Ton Dobler) zu demonstrieren. Querverweise zurück zu Bach oder Hän-del ergeben sich in diesem Abschnitt nicht. Fände man sie, wäre das vielleicht konsequent, zwingend notwendig ist es freilich nicht. Denn wenn eine echte, über das übliche Crossover hinausgehende Fusion beabsichtigt war, dann hat Dobler mit diesem Projekt sein Ziel ja absolut erreicht, vielleicht sogar eine neuartige Art von Musik für sich entdeckt. Dabei sollte nicht entscheidend sein, wer von beiden denn nun jeweils der mächtigere Koalitionspartner ist oder aus welchem Lager die Interpreten kommen. Das New Baroque Trio bietet an diesem Abend im Birdland Musik, die – wie der heftige Applaus und die Forderung nach zwei Zugaben verdeutlicht – in beiden Welten überaus gut angenommen wird. Das alleine zählt, macht neugierig auf künftige Experimente in diese Richtung, vereinfacht den Blick über den Tellerrand, erschließt neue Fankreise.