Thomas Doblers „New Baroque Trio“ | 08.10.2021

Neuburger Rundschau | Peter Abspacher
 

In G. F. Händels „Schöpfung“ gibt es einen prächtigen, schwebend leichten Chorsatz auf den Text „Und eine neue Welt entspringt …..“. Die Zeile aus Händels Oratotium kommt einem in den Sinn, wenn man den furiosen Auftritt von Thomas Doblers New Baroque Trio im Birdland erlebt hat. Aus
Barock und Jazz ließen diese Musiker eine neue Welt hervorgehen.

Zum Auftakt der Neuburger Barockkonzerte bot das Trio eine spannende Mischung aus musikalischem Witz, Virtuosität und frappierenden Verwandlungen. Das Publikum honorierte diese Performance in Beifallsstürmen, die auch im Applaus freudigen Bildland Jazzclub nicht oft zu vernehmen sind.

Dabei musste der etatmäßige Violinist Adam Taubitz kurzfristig wegen Krankheit ersetzt werden, eine besondere Herausforderung für die Geigerin Caroline Lanbelle. „Sie durfte einiges noch schnell üben“, sagte Bandleader Thomas Dobler, womit er weniger die technischen Qualitäten meinte, sondern das blinde Verstehen, wenn es ins Improvisieren hineingeht. Wenn eine g-moll-Sonate Georg Friedrich Händels mit dem Blues anbandelt, mit einer raffinierten Art von Cha Cha Cha oder mit sehr jazzigen Harmonien. Wie Caroline Lanbelle solche Volten mit Thomas Dobler am Vibrafon und Miquel Angel Cordero am Bass auf die Reihe bekam, war mehr als beeindruckend.

Purcell, Rameau, Händel, Vivaldi und – natürlich – Johann Sebastian Bach, das sind Fixsterne am Barockhimmel, ihre Leuchtkraft reicht über Epochengrenzen hinaus. Ein ideales „Material“ also, daraus mit den Stilmitteln des Jazz etwas Neues zu erschaffen, „New Baroque“ eben. Lanbelles Geigenton springt von der klaren, durchsichtigen Phrasierung in Bach a-moll-Konzert, von den rasenden Läufen des Schluss-Satzes, locker in eine ganz andere Klangfarben, in eine sehr moderne Intensität, in die Improvisationswelten des Jazz – und ist unversehens wieder in der fast mathematisch strengen Barockwelt zurück. Ein Changieren, das dem einen wie dem anderen Stil seine Kraft und sein Recht lässt und sie in etwas Neues hinüberführt.

Was man aus einem Vibrafon alles herausholen, was man alles damit anstellen kann – um das zu erfahren, sollte man Thomas Dobler einen ganzen Abend zuhören. Der Schweizer Virtuose und Arrangeur gibt locker und leicht den Orchestersound in Bachs Violinkonzert, er nimmt die Themen der Violine auf, experimentiert damit, immer mit einem Lächeln im Gesicht, er lässt aus den metallenen Röhren erstaunlich filigrane Arpeggien aufklingen, dann wieder grätscht er mutig hinein, bricht Tempo und Rhythmus und ordnet alles neu.

Die ungewöhnliche Trio-Besetzung wird veredelt durch eine Bassisten, der viel mehr als die simple Grundstruktur liefert. Miquel Angel Cordero macht aus seinem Pizzicato elegnte Kantilenen, manchmal auch glitzernde Kaskaden, als ob irgendwo ein Cembalo im Spiel wäre. Seine solistischen Passagen mit dem Bogen füllen den Jazzkeller mit einem warmen Ton, als setze er zu einem Konzert für Kontrabass an. Und plötzlich darf man als Zitat ein paar Takte aus Bachs erster Solosuite für Violoncello genießen, womit an dieser Stelle eher nicht zu rechnen war.

Drei musikalische Persönlichkeiten, die aus einem schönen Konzertabend einen großen Wurf machen. Aus einer einfachen Händel-Sonate wird so fast Filmmusik. Eine Chaconne erlebt, wie sie in Blues und Swing hineinwachsen kann. Und Zitate aus der Oper „Rinaldo“
fliegen in Jazz-Sphären auf einer anderen Ebene. Eine neue Welt, manchmal verblüffend, aber immer spannend und stimmig.