Harry Allen & Martin Sasse Trio | 02.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Der Ton macht die Musik. Ganz besonders an diesem Abend im Birdland mit dem Tenorsaxofonisten Harry Allen aus Washington D.C., der dort zusammen mit dem Trio des Pianisten Martin Sasse – mit Markus Schieferdecker am Kontrabass und Joost van Schaik am Schlagzeug – zu Gast ist. Denn Harry Allen verfügt über einen unvergleichlichen Ton, definiert sich quasi über ihn.

Seine Art des Mainstream Jazz spielen nicht wenige seiner Kollegen zwar auch, aber keiner tut dies so wie er. Dabei unterscheidet sich seine Herangehensweise hinsichtlich des Kompositionsaufbaus und der Struktur der Stücke gar nicht mal so sehr von der vergleichbarer Musiker, aber sein Horn strahlt eben diese unvergleichliche Wärme aus, wobei er damit durchaus ein klein wenig an Ben Webster erinnert. In Klang seines Instruments fühlt man sich wohl, gut aufgehoben, obwohl das, was er spielt, alles andere als „gemütlich“ ist. Allen’s Tenorsound kriecht einem unter die Haut, ganz langsam, erzeugt wohliges Kribbeln, aber nie schaurige Gänsehaut.

Allen bleibt rein äußerlich zwar stoisch cool, entfacht aber im Verlauf des Abends dennoch ein Feuer, das von Nummer zu Nummer immer mehr lodert. Man sieht es ihm nicht an, man merkt es um so deutlicher an seinem Ton, seiner immensen Ausdrucksvielfalt. Und man merkt es auch an dem, was er spielt. Scheinbar völlig ohne jegliche Kraftanstrengung schmettert er Figuren in den Saal, bei denen man sich verwundert die Augen bzw. die Ohren reibt, setzt zu spektakulären Läufen an, lässt die Sache hochkochen, um gleich darauf in eine Art schwelgerischer Melancholie zu verfallen.

Martin Sasse ist ihm dabei ein kongnialer Partner. Es ist der Impulsgeber. Nie um ein Zitat verlegen, treibt die Intensität vom Klavierhocker aus die die Höhe. Wenn es wieder mal an der Zeit ist, eine Schippe drauf zu legen, ist meist er der Initiator. Allen weiß ganz genau, warum er, wenn er in Euroopa tourt, auf Sasse und dessen perfekt eingespieltes Trio zurückgreift. Beide Parteien räumen dem Faktor Swing eine primäre Bedeutung ein, schreiben selber ganz tolle Stücke – Allen’s wunderschöne Ballade „There Is No Place For Me“ und Sasse’s „Swing! Swing! Swing!“ zum Beispiel – verstehen sich bestens, wenn es um Adaptionen von Lester Young, Johnny Mercer und Cole Porter geht oder um „Step Right Up“ von Oliver Nelson.

Am Ende muss die Band zwei Zugaben geben. Das hat sich bereits früh abgezeichnet. Die Methode, die Grenzen der Tradition anzuerkennen, sich innerhalb der akzeptierten Markierungen aber Freiräume zuzugestehen und diese auch kreativ auszuloten, kommt bestens an. Zweck dieser gemeinsamen Strategie ist nicht der spektakuläre Ausreißer, mit dem man um Aufmerksamkeit buhlen kann, nein, das Ziel ist, sich zwar lustvolle Spaziergänge zu gönnen, aber sich am Ende eben auch wieder zurückfallen zu lassen ins weiche und sichere melodisch-harmonische Bett. Harry Allen und das Martin Sasse Trio haben an diesem Abend beispielhaft demonstriert, wie das optimal funktioniert.