Pablo Ziegler & Quique Sinesi & Martin Sued | 10.10.2021

Donaukurier | Karl Leitner
 

Wenn der Begriff Tango fällt, denkt sofort jeder an Argentinien und an Astor Piazzolla. Er ist der Erfinder des „Tango Nuevo“, seine Hauptschaffenszeit gilt als die Goldene Ära des Tango überhaupt. In diesem Jahr würde er 100. Geburtstag feiern, weswegen weltweit überall Konzerte zu seinen Ehren stattfinden. So auch im Birdland Jazzclub in Neuburg.

Aus Buenos Aires sind der Pianist Pablo Ziegler – der 76-Jährige hat selbst jahrelang mit Piazzolla gespielt und gilt als dessen legitimer Nachfolger – der Gitarrist Quique Sinesi und Martin Sued mit seinem Bandoneon angereist, um dessen Erbe zu pflegen und dem hiesigen Publikum nahezubringen. Beim Tango Nuevo geht es weniger um den Aspekt des Tanzens, sondern viel mehr ums Zuhören. Piazzolla hat die traditionelle Form des Genres erneuert, indem er dessen Harmonie mit den Mitteln des Jazz ausweitete und sich hinsichtlich der instrumentalen Spieltechnik von Bartok und Strawinsky inspirieren ließ. Ziegler und seine Kollegen gehen ganz in diesem Sinne vor, verweben die Linien der drei Instrumente miteinander und vollführen metrische Sprünge. Dabei kreieren sie höchst anspruchsvolle Musik, die aber auch mit einer Leichtigkeit daherkommt, der man sich als Zuhörer nicht verschließen kann und will.

Etwa zur Hälfte besteht das Programm aus Stücken von Piazzolla wie „Fuga Y Misterioso“ oder „Imágenes 676“, zum anderen Teil aus Kompositionen aus der Feder Zieglers wie „Asfalto“ oder „Milongueta“, wobei der Gattung der Milonga beim Birdland-Konzert eine besondere Bedeutung zukommt. Diese, von vielen als „fröhlichere Schwester des Tango“ bezeichnete Form, ist die der Geschichtenerzähler, der Textdichter. Deren Rolle übernehmen bei Ziegler, Sinesi und Sued die Instrumente. Und weil die drei ihre Kunst nicht nur spieltechnisch, sondern auch hinsichtlich des Ausdrucks wahrlich meisterlich beherrschen, meint man genau zu spüren, worum es inhaltlich eigentlich geht. Um Leidenschaft, emotionales Feuer, um Melancholie, Weltschmerz, Sinnenfreuden, um lodernde, aber auch gebrochene Herzen.

Das Publikum erlebt an diesem Abend ein ganz wunderbares Geburtstagskonzert zu Ehren Piazzollas. Auf beeindruckendere Weise hätte man diesen Giganten des Tango Nuevo wohl schwerlich würdigen können. Dass Ziegler zwischendurch mit Héctor Stamponi’s „Flor de Lino“ – als musikalischen Blumenstrauß quasi – ausgerechnet einen Walzer ausgewählt hat, stört dabei überhaupt nicht, sondern zeigt vielmehr, dass hier als Gratulanten keineswegs Puristen unterwegs sind. Der Tango ist ihr Leben und geht ihnen über alles, das ist offensichtlich, aber wer sagt, dass man als Gastgeber deswegen nicht auch mit einem kleinen Augenzwinkern Kollegen aus der Nachbarschaft zum Fest einladen kann?