The West Coast All Stars | 19.04.2002

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Mit Bud Shank trat einer der bedeutendsten Protagonisten des West Coast Jazz im Neuburger Birdland auf. Inmitten einer illustren All Star Band eroberte er die Herzen des Publikums im ausverkauften Keller unter der Hofapotheke wie im Sturm.

Hollywood, die Traumfabrik ist an der Südwestküste der Vereinigten Staaten viel zu nah, als dass man hier noch auf sie hereinfiele. So agieren die West Coast All Stars bei ihren Spazierfahrt über den Sunset Boulevard mal mit einem Augenzwinkern, mal mit entspanntem Laissez Faire, mal auch mit bissiger Attacke dann, wenn der Ostwind eine Nase voll schmutziger Stadtluft an den Strand weht. Nicht nur cool am Strand relaxen mit dolce vita und Surfin‘ USA (das war natürlich viel später), nein: unter der glattpolierten Oberfläche eines ’56er Oldsmobile brodeln die Ventile eines PS-starken Motors. Die Westküste hat durchaus Energie zu bieten. Selbst Charlie Parker tankte seinerzeit hier auf: „Relaxin‘ at Camarillo“. Die sechs Kämpen auf der Bühne des Birdland beweisen wachen Sinn und zeigen, dass auch dem guten alten Thema-Solo-Thema-Schema noch so Einiges abgewonnen werden kann, sofern die Akteure wissen wie’s geht. Da lässt Jay Thomas am Flügelhorn „Sequioas Dream“ hard boppen, setzt der Selbe am Tenorsaxophon seinem Kollegen Plas Johnson abgeklärte Linien a la „Lester Leaps In“ entgegen, die dieser ohne Federlesens in den Blues taucht. Da marschiert „Big Mo“ im kernigen Walking Bass von Chuck Berghofer durch’s Gewölbe, sprießen unter Pete Jollys Fingern die Blätter der „Cotton Blossom“ nur so aus dem Bösendorfer, bekommt Chet Bakers Leib und Magen Ballade „My Funny Valentine“ in Bud Shanks verschärftem Ton am Altsaxophon eine Färbung, die dem verhangenem Melos lebensbejahende Entschlossenheit entgegen setzt; ein bisschen Alterweisheit mag auch mitschwingen, immerhin bringen allein Bud Shank und Plas Johnson gemeinsam 147 Jahre Lebenserfahrung auf die Bühne. Drummer Joe LaBarbera schließlich lässt nicht erst mit seinem fulminanten Solo zu Beginn von Charlie Parkers „Yardbird Suite“ aufhorchen: Seine weicher Pulsschlag auf dem Ride-Becken und seine phantasievolle Feinarbeit am HiHat fächeln jene warme Brise vom Pazifik in den bayerischen Donaufrühling, die das Leben ein bisschen leichter ertragen lässt, auch wenn es für die Jahreszeit zu kalt ist.