Tony Lakatos am Tenorsaxofon, Martin Sasse am Klavier, Martin Gjakonovski am Kontrabass und Vladimir Kostadinovic am Schlagzeug. Man kennt diese Musiker von unterschiedlichen Projekten her, als Mitglieder diverser Ensembles und von etlichen Birdland-Konzerten mit immer wieder anderen Kollegen. Dass sie allesamt zur absoluten Spitze des europäischen Jazz gehören, beweisen sie derzeit besonders eindrucksvoll auf ihrer gemeinsamen Tournee als „The Vibe“ durch die wichtigsten Clubs auf dem Kontinent.
Bei der ersten Nummer „Blue Chili“, ausgestattet mit einem hinreißenden Motiv als Auslöser für einen dieser unwiderstehlichen Grooves, die den ganzen Abend kennzeichnen, glimmt bereits die Glut. Und dann – um im Bild zu bleiben – fliegen die Funken, brennt die Luft, kocht der Saal. Es gibt Momente, da kennen die Band als Kollektiv und deren Mitglieder als Solisten schier kein Halten mehr, da spielt das Quartett wie entfesselt auf, da wachsen die vier Herren regelrecht über sich hinaus. An diesem Abend wird die Band ihrem Namen absolut gerecht, die „Vibes“, also die Atmosphäre, die Schwingungen zwischen den Musikern und ihrem Publikum sind hörbar, fühlbar, spürbar.
Das liegt am Programm, für das bis auf zwei Standards alle Bandmitglieder abwechselnd als Komponisten verantwortlich sind. Ideal angelegt, um Kopf, Seele, Bauch und Beine gleichermaßen in Entzücken zu versetzen, bieten die Stücke jedem ausgiebig Freiraum zur solistischen Entfaltung. Was in dieser Hinsicht im Birdland abläuft, ist wahrlich sensationell. Darf man Lakatos, dessen Figuren, Pirouetten und Notenberge wie in Stein gemeißelt sich vor einem auftürmen, eigentlich als den Inbegriff des „perfekten“ Saxofonisten bezeichnen? Man ist versucht, ebendies zu tun. Wann sah und hörte man eigentlich zuletzt einen Pianisten wie Sasse, der beidhändig die Grenzen zwischen Melodieführung und Begleitung dermaßen souverän aufhebt und ignoriert? Warum eigentlich hatte man einen Teufelsdrummer – und angesichts von Stücken wie „Milena“, „Balkan Flood“ und „Face To Face“ auch noch überragenden Komponisten – wie Vladimir Kostadinovic nicht deutlicher auf dem Schirm? Und wer wäre als Groove-Master an diesem denkwürdigen Abend besser geeignet als Martin Gjakonovski, der sich im Birdland ja schon oft präsentiert hat? Aber hatte er jemals die Gelegenheit, dies so eindringlich zu tun?
In der Tat, in diesem Ensemble haben sich wahrlich vier Musiker gefunden, die optimal kooperieren. Locker, lässig, souverän, ungezwungen, aber eben auch unerbittlich in ihrem Vorwärtsdrang, auch bei den Balladen wie bei Billy Strayhorn’s selten zu hörender Nummer „My Little Brown Book“. Stringenz, Dynamik, Virtuosität, eine enorm hohe Betriebstemperatur, ein exzellenter Saalsound. – Es gibt Konzerte, bei denen passt einfach alles. Man weiß das vorab natürlich nicht, das stellt sich erst im deren Verlauf heraus. Und dann reißen einen die beiden Sets ganz einfach mit und man lässt es völlig ohne Gegenwehr geschehen. Weil es so ungemein gut tut und am besten gar nicht mehr enden sollte – The Vibe. Großartig