Dutch Swing College Band | 19.01.2023

Donaukurier | Karl Leitner
 

Das Konzert im Audi Forum beginnt, wie bei der legen­dären, seit nunmehr 77 Jahren existieren­den, Dutch Swing College Band grundsätzl­ich alle Auftritte beginnen: mit „Way Down Yonder in New Orleans“, der Erkennungsmelodie des Ensembles seit Jahrzehnten. Womit eigentlich alles über die folgenden gut 100 Minuten ge­sagt ist.

New Orleans Jazz, Old Time Jazz, Traditional Jazz, Dixieland, Swing, Blues, Ragtime. Klänge aus dem Museum des Jazz, Songs als Exponate, die man sich als Freund oder gar Fan dieser Spielart des Jazz, auf die sich unweigerlich alles beruft, was nachher kam, immer wieder gerne zu Gemüte führt. Noch dazu, wenn so kompetentes Personal zur Führung einlädt wie Keejan Hoogeboom (Trom­pete), Adrie Braat (Kontrabass), David Lukás (Klarinette, Tenor- und Sopransa­xofon), Frits Landsbergen (Schlagzeug), Bert Boeren (Posaune) und Peter Kanters (Gitarre, Banjo).

Interessant wird die Sache dadurch, dass in diesem speziellen Fall die Exponate nicht in der Vitrine bleiben, sondern herausgeholt, angefasst, entstaubt und bearbeitet werden. Auch wenn sie nach der Behandlung durch die Arrangeure der Band manchmal mitunter gehörig ihr Äußeres verändern, sich zerlegt und neu zusammengebaut präsentieren, ver­lieren sie weder an Wert, noch an Charme, bü­ßen weder ihre Zeitlosigkeit noch ihren zentralen Platz in der Historie eines lang­lebigen Genres ein, das ohne diesen Hu­mus nie zur aktuellen Vielfalt erblüht wäre.

Zur Zeit von Louis Armstrong, Kid Ory, Fats Waller und Sidney Bechet, von „The Sheik Of Araby“, dem „Jelly Roll Blues“ und „Ain’t Misbehavin“ war das alles rein schwarze Musik und all die großartigen Musiker jener Zeit wurden in den USA von Rassisten verfolgt und diskriminiert. Und in Europa fanden sich nach dem Verbot der „entarte­ten Musik“ durch die Nazis nicht wenige, die auch lange nach 1945 noch verächtlich von „Negermusik“ sprachen. In diese Zeit fiel die Gründung der Dutch Swing Col­lege Band, die nicht ohne Beharrlichkeit, ja, Sturheit, zu einem Kreuzzug durchs ideologisch verna­gelte Europa aufbrach, Musik ihrer Idole in die Konzertsäle brachte, wäh­rend sie daheim in New Or­leans nicht selten als billiger Touris­ten-Nepp miss­braucht wurde.

Es ist natürlich alles andere als verwun­derlich, dass die Herren im Audi Forum, die Enkel der Gründungsväter der Band, mittlerweile eine enorme Routine entwi­ckelt haben. Jeder Ton sitzt und die Show läuft ab wie am Schnürchen, auch die Soli sind perfekt eingepasst. Das heißt aber nicht, dass hier sechs Musiker einfach nur ihrem Job nachgingen. Nein, sie scheinen nach wie vor zu brennen, eine echte Leidenschaft zu empfinden für all die Stücke, die so viel älter sind als sie selbst und doch so lebendig. Das wirkt ansteckend, auch auf das Publi­kum, das immer wie­der Szenenapplaus spendet.

Songs wie der „Basin Street Blues“, ,,High Society“ und „Muskrat Ram­ble“ haben jede Menge Patina angesetzt. Sie sind ganz einfach zeitlos und trotzen allen Strömungen. Wenn nun ab und zu Musiker wie die der Dutch Swing Col­lege Band an ihr herumkrat­zen, ist das nicht Missachtung der Origi­nale, son­dern selbst bei einer steinal­ten Band wie dieser der permanente Hunger nach im­mer wieder neuen Sicht- und Ausdrucks­weisen. Typisch Jazz eben.