The Munich Saxophone Family | 30.10.1998

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Laßt uns mal was anderes probieren: Schlagzeug weg, Baß weg, selbst das manchmal alles vereinende Klavier bleibt zu. Voila: Solo für Saxophon! Das prägnanteste aller Jazzinstrumente darf zeigen, was in ihm steckt. Viermal strahlt es in verschiedenen Facetten von der Bühne herunter, wo immer auch die „Munich Saxophone Family“ zum ungewöhnlichen Familientreffen der goldschillernden Hörner einlädt.

Diesmal im Neuburger „Birdland“-Jazzclub, wo derartige Experimente mit der bahnbrechenden Erfindung des Adolphe Sax beileibe kein Novum darstellen. Das furchtlose Ensemble um den Leader Thomas Zoller setzte dort bereits vor zweieinhalb Jahren einen kleinen Meilenstein in punkto populäre Progressivität. Diesmal allerdings klaffte zwischen Anspruch und Publikumswirksamkeit zumindest im ersten Set eine gigantische Lücke, weil die komplette „Family“ einfach nicht der Versuchung widerstehen konnte, ihre überdurchschnittlichen Fähigkeiten wie in einem Workshop mit dem akademischen Zeigefinger vorzuführen. „Schaut her, was wir können“: eine Grundhaltung, die trotz anspruchsvoll verschachtelter chromatischer Überwucherungen, vielen authentischen Zitaten aus der Jazzgeschichte und der punktgenauen Satzarbeit schnell zur völligen Ermüdung der Zuhörer führt.

Wie gut, daß das „Saxomaximum“ in der Pause auf das wachsende Desinteresse aufmerksam wurde. Nun verzahnte sich plötzlich wieder der komplexe Sound zur pulsierenden Einheit. Roman Schwaller (Tenor) löste die Handbremse und ließ seine bekannt temperamentvollen Bop-Phrasierungen laufen („Moon“), sein cool agierender Antipode Jürgen Seefelder (Tenor und Soprano) schlüpfte geschickt in die entstehenden Freiräume („Profile Of Jackie“), während Florian Trübsbach (Alt), der Benjamin der Sippe, endlich seine Mängel in der Satzarbeit ablegte und vielversprechende eigene Akzente („Unit Love“) setzte.

Eine notwendige Kurskorrektur, die – wie jeder Impuls der „Saxophone Family“ – von Thomas Zoller (Bariton) ausging. Gerade noch rechtzeitig, sonst wäre womöglich gar die kompositorische Brillanz des „Familienvaters“ mit der klobigen Brummaxt, der es wie kein Zweiter versteht, jedem Individualisten das passende Arrangement auf den Leib zu schreiben, oder aber die Potenz solch atemberaubender Stücke wie „Drehung Inform“ mit ineinander verknoteten, berstenden, platzenden, sprintenden und sich vereinigenden Saxophonen unbemerkt unter den Tisch gefallen.