The Lee Konitz String Project | 28.02.2003

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Mr. Konitz geruht zu scherzen. Wiederholt wie ein Echo, was sein junger kongenialer Partner Ohad Talmor gerade gesagt hat, garniert es bei Bedarf launig mit eigenen Kommentaren. „Debussy – französischer Impressionist, schwer zu spielen.“ Nach einem schwebenden Kunstgriff, den niemand so recht identifizieren kann: „Das war ´How high the Moon` – oder was wir davon übrig gelassen haben.“ Und grinst völlig überraschend wie ein Lausbub über beide Backen.

Das Publikum im endlich einmal wieder bis auf den letzten Platz besetzten Neuburger „Birdland“-Jazzclub genießt solche raren Momente. Schließlich beweisen sie glaubhafter als jedes Lippenbekenntnis, dass sich der inzwischen 75-jährige und oft ziemlich mürrische Ausnahmekönner am Altsaxofon hier und heute rundum wohl fühlt. Einerseits weil er wieder in seinem erklärten europäischen Lieblingsclub gastiert, wo ihm seit 15 Jahren eine ganz besondere Form der Wertschätzung zuteil wird, zum anderen in der ungewohnten Umgebung des „Spring String Quartets“.

Denn die vier Streicher fordern diese Instanz der Linearität und polyfonen Stimmführung geradezu heraus. Ohne Rhythmusgruppe und mit klassischem Repertoire beginnt der nach wie vor ehrlichste, unpathetischste und vielleicht sogar schönste Altoton der Jazzgeschichte scheinbar schwerelos dahin zu schweben. Konitz` Einfälle schwimmen wie blühende Inseln auf glitzernden und trüben Gewässern, in denen prächtige, bunt schillernde Fische, aber bisweilen auch seltsame Irrläufer auftauchen.

Dies liegt an der Tatsache, dass der Hofapothekenkeller nach erst zweitägiger Probe die Premierenbühne für die Kollaboration zwischen Christian Wirth, Marcus Wall (beide Violine), Julian Gillesberger (Viola) und Stephan Punderlitschek (Cello) sowie den Jazzern liefert, aber vor allem an den klischeefreien, furchtlos zwischen Höhen und Tiefen balancierenden Arrangements von Ohad Talmor. Der 32-jährige Klarinettist erzeugt mit sehr freien Bearbeitungen von Milhaud, Poulenc und Bach pausenlose Wechselbäder. Statt der Ragtime artigen Stücke Debussys oder der bluesgetränkten Werke Ravels wählte er mitunter ziemlich obskures Material. Die Lieder, Duos, Klaviersonaten von Koechlin, Chausson, Satie und Fauré oder Eigenkompositionen umhüllte er mal mit viel Farbsinn und Feingefühl, mal aber auch etwas ratlos tastend.

In einer Art Schaukelbewegung suchen die sechs Musiker deshalb fieberhaft nach Originalität. Ein Spiel, dessen Ernsthaftigkeit niemand in Zweifel zieht, das zwischen U- und E-Musik, zwischen Improvisation und Komposition, aber nie zwischen Jazz und Klassik hin und her wogt. Warum auch? Weil die Umstände dies vielleicht zwanghaft erwarten ließen?

Viel zu kurz gedacht. Hin und wieder klingen die Streicher sogar kesser, entfesselter, groovender als die viel zu disziplinierten Bläser, die kilometerlange Tutti-Passagen vom Blatt spielen. Und der Unterschied zwischen Improvisation und Komposition verwischt in einigen wenigen Sternsekunden sowieso nahezu vollkommen.

Die unsichtbare Klammer, das Regulativ der umherirrenden, dualen, manchmal auch verwirrenden Denkweise verkörpert Konitz. Sowohl in den starren, als auch den losgelösten oder den sanften Momenten souverän wie ein Adler über den Dingen schwebend, passt dessen weicher, fast zerbrechlicher Sound perfekt in diese grenzgängerische Musik.

Eine Wiederholung zu einem späteren Zeitpunkt täte dem Projekt mehr als gut. Nicht um der vordergründigen Perfektion willen, sondern weil dann wahrscheinlich alle die selbe innere Bereitschaft und Laune mitbringen würden wie Lee Konitz.