The Great Guitars Of Jazz | 30.05.2003

Neuburger Rundschau | Dr. Tobias Böcker
 

Das vorletzte Konzert vor der Sommerpause gab den best denkbaren Auftakt für die kommenden hoffentlich sonnendurchfluteten Monate. Eine entspanntere Atmosphäre ist kaum vorstellbar als sie die vier älteren Herren mit ihren Gitarren im Birdland Jazzclub verbreiteten.

Da treffen sich vier Kollegen, Freunde, Erzmusikanten zu gemütlichem Miteinander auf der Bühne wie auf der heimischen Veranda, nehmen gemächlich Platz und spielen gemeinsam jene Standards, mit denen sie groß geworden sind. Eigentlich sind sie ja nur zu Dritt, die „Great Guitars“, von deren Urbesetzung nur mehr Mundell Lowe dabei ist und die inzwischen auf den weiteren Positionen mit John Pisano und Gene Bertoncini besetzt dem Namen des Trios weiterhin alle Geltung verschaffen. Weil nun Mike Magnelli unbedingt dabei sein wollte, wenn seinem Freund und Kollegen Attila Zoller die Ehre erwiesen wird, kamen sie zu viert nach Neuburg. Das war nicht die schlechteste Idee, schränkte zwar das Repertoire auf die üblichen Verdächtigen ein – aber wer hätte schon anderes erwartet? – setzte jedoch eine Menge kommunikativer Feinheiten frei.

Was fehlte? Eigentlich nichts! Jeder der Vier scheint mit sich und der Welt im Reinen, kann entspannt und wohlwollend am Ufer sitzen und den Fluss vorüberziehen lassen. Alle Tricks haben sie drauf – ein paar Gitarristen aus der Region sind so auch gekommen um von den alten Herren noch was abzugucken – niemandem brauchen sie noch was zu beweisen. Gelassen und friedlich wirkt ihr Tun, so selbstverständlich wie die Tatsache, dass Wasser abwärts fließt. So sitzen sie denn am großen Fluss und reflektieren seine Strömung, seine kleinen Strudel, überwundene Stromschnellen, das Spiegelbild der Stadt und der menschlichen Umtriebigkeit vor Augen. Jeder bringt seine Stimme ein, Magnelli eloquenten Esprit, Lowe soignierte Abgeklärtheit, Pisano hintergründig humorvolle Heiterkeit, und die unverbrauchte Neugier Bertoncinis versetzt solo gar Robert Schumanns „Träumerei“ in sanfte Schwingungen. Geträumt werden darf auch bei der „One Note Samba“, die in raffinierter Beweglichkeit brasilianische Lebensfreude im Keller unter der Hofapotheke verbreitet.

„So, what’s new?“ – Eigentlich nichts, aber das braucht’s auch nicht immer. Organisch wechseln Soli und Begleitung, ab und an hört der Eine oder Andere auch schlicht dem Kollegen zu, keiner muss um Präsenz kämpfen, jeder hat Raum und Seelenruhe, erkennt neidlos an, was der Andere kann und zu sagen hat: „Don’t get around much anymore“. Demokratie lebt eben nicht nur vom offensiv betriebenen Interessensausgleich, sondern auch davon, dass Bescheidenheit obwaltet im rechten Moment. Wenn das der Fall ist, tritt zur Gleichberechtigung die Harmonie der Herzen.