The Great Guitars | 27.10.1995

Neuburger Rundschau | Reinhard Köchl
 

Drei Giganten, sechs Hände, 18 Saiten und 216 Jahre. Wer, wie der Neuburger Birdland Jazzclub, solch eine außergewöhnliche Kombination zu organisieren imstande ist, der schafft in der Tat unauslöschliche Momente im städtischen Kulturleben und sogar in der bayerischen Jazzszene. Denn Charlie Byrd, Mundell Lowe und Herb Ellis, also die legendären „Great Guitars“, gemeinsam auf eine Bühne zu bekommen, gelang in jüngster Zeit nicht einmal renommierten deutschen Konzertveranstaltern.

Entweder waren Byrd oder Ellis erkrankt oder aber Lowe terminlich verhindert, so daß die Neuauflage dieses Treffens dreier echter Jazz-„Ikonen“, die nahezu eine ganze Ära des Swing verkörpern, ausgerechnet auf jenen Gig am vergangenen Freitag in Neuburg fiel. Obendrein hatte Birdland-Chef Manfred Rehm einmal mehr sein untrügliches Gespür für den Geschmack des Publikums unter Beweis gestellt. Während nämlich bei den parallell stattfindenden Ingolstädter Jazztagen selbst bei Topacts chronische Publikumsschwindsucht herrschte, präsentierte sich der Birdland-Club so voll und atmosphärisch, wie schon seit Monaten nicht mehr.

Dies müssen auch die „Great Guitars“ geahnt haben, als sie allen Reisestrapazen trotzten, um an der Donau ein Wiedersehen ohne vorherige Probe zu feiern. Ein Umstand, der vielleicht auch die etwas verhaltene Stimmung des ersten Sets erklären mag. Trotz überaus freudiger Erwartung beim Publikum liefen die Rädchen erst langsam an und ineinander. Doch gut Ding will bekanntlich immer Weile haben, vor allem bei älteren Herren. Nach einem galanten „Willow weep for me“, einem süffigen „Cotton Tail“ und einem augenzwinkernden „Rosetta“, betätigte sich ausgerechnet der „geistige Vater“ des legendären Gitarrentrios, Herb Ellis, als Eisbrecher.

Solch eine relaxte, faszinierend entspannende Stimmung voller Sonne und positiver Schwingungen, wie sie der 74jährige jahrzehntelange Partner von Oscar Peterson bei „Georgia on my Mind“ ins vollbesetzte Birdland zauberte, ist selbst im Hig-Tech-Zeitalter absolut konkurrenzlos. Ellis hat von seiner glänzenden Technik und seinem ansteckenden Drive wahrlich nichts verlernt. Der Blues schlummert bei ihm im kleinen Finger, wobei seine flüssigen, sparsam durch Akkordeinstreuungen aufgelockerten Single-Note-Linien auch einen geschmackvoll dosierten Schuß Hillibilly mitunter nicht leugnen können.

Für viele als die Überraschung des Abends entpuppte sich der 72jährige Mundell Lowe, ehedem Partner von Billie Holiday und Charlie Parker. Seine melodischen Soli bestachen immer wieder durch kleine disharmonische Ränder, elektrisierenden Aufbau und überraschend boppige Wendungen (siehe „Stuffy“). Ganz anders dagegen Charlie Byrd: im Gegensatz zu seinen Partnern schon traditionell mit akustischer Gitarre, sorgte der 70jährige Eroberer des Samba für den Jazz unmittelbar nach der Pause mit seinen Latin-Klassikern „Triste“ und „Wave“ für stehende Ovationen und bestach obendrein mit coolen, ästhetischen und rhythmusbetonten Finger-Pickings voller Phantasie.

Drei gegensätzliche Genüsse wie Whiskey, Sekt und Likör feuern im Sekundentakt geballte pure Lust am flotten Drive durch den Verstärker. Stets unauffällig, aber zuverlässig von Uli Thielmann am Schlagzeug und Manfred „General“ Hartlieb am Kontrabaß gestützt, trugen die „Great Guitars“ die ganze Frische des Swing ins verrauchte Kellergewölbe. Zwei heftig erklatschte Zugaben schienen dem völlig losgelösten Auditorium da verständlicherweise als viel zu wenig.