The Great Guitars | 25.04.1999

Donaukurier | Reinhard Köchl
 

Drei Ikonen, sechs Hände, 18 Saiten und 221 Jahre: was sich wie kühle Jazz-Mathematik anhört, ist in Wirklichkeit eines der imposantesten Dinosaurier-Meetings der Gegenwart. Die „Great Guitars“, ein Triumvirat sagenumwobener Saitenzupfer aus der guten, alten Zeit des Swing, zieht 1999 immer noch unentwegt seine Kreise. Zum mittlerweile dritten Mal auch im Neuburger „Birdland“, ständig durch Krankheit (Barney Kessel, Charlie Byrd) oder den Tod früherer Mitglieder (Tal Farlow) umbesetzt, aber nach wie vor mit weit ausgefahrenen Sensoren am mikroskopischen Feinklang und technischen Raffinessen feilend.

In der aktuellen Besetzung liefert zwar der gerade mal 67jährige John Pisano fast so etwas wie eine Blutauffrischung. Aber das Alter seiner Partner Herb Ellis und Mundell Lowe, beide stramme 77, entfacht nicht zum ersten Mal die Diskussion über den künstlerischen Wert solcher Legenden-Vorführungen. Und wohl nicht zum letzten Mal liefern Ellis-Lowe-Pisano darauf die passende Antwort: frische, entspannte Laid-back-Atmosphäre, bei der vor allem die jüngeren Gitarrenfreaks im vollbesetzten Hofapothekenkeller ihre Blicke kaum mehr von den 30 Zauberfingern abwenden konnten.

Die ständige Häme über die „Senioren-Combo“: vielleicht mag sie für das gesetzte Tempo der Darbietung durchaus angebracht scheinen. Doch die drei setzen ihre Töne behutsam, lassen den Rädchen genügend Zeit, um an- und ineinanderzulaufen. Sie schöpfen überreich aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang mit Weltstars wie Billie Holiday, Charlie Parker oder Frank Sinatra. Nach einem gerade wegen seiner leisen Töne enorm dichten ersten Set mit einem galanten „Seven Come Eleven“, einem sphärischen „Soft Winds“, dem augenzwinkernden Earl-Hines-Gassenhauer „Rosetta“ sowie einem süffigen „Sweet Georgia Brown“lockerte ausgerechnet der geistige Vater des Ensembles, Herb Ellis, die Handbremse.

Solch ein relaxtes Fluidum voller Sonne und positiver Schwingungen, wie sie Oscar Petersons Dauerpartner bei „Georgia On My Mind“ ins historische Gemäuer schweben ließ, ist selbst im High-Tech-Zeitalter absolut konkurrenzlos. Der Blues schlummert bei ihm im kleinen Finger, wobei seine flüssigen, sparsam durch Akkordeinstreuungen aufgelockerten Single-Note-Linien auch einen geschmackvoll dosierten Schuß Hillbilly mitunter nicht leugnen können.

Mundell Lowes melodische Soli mit den kleinen, disharmonischen Rändern, dem elektrisierenden Aufbau und überraschend boppigen Wendungen liefern dafür den perfekten Kontrapunkt. Ganz erstaunlich die Rolle des „Juniors“ Pisano. Er gefällt sich ganz offenbar in der intuitiv vereinbarten Rolle des fingerpickenden Brandstifters. Das einstige Alter Ego des großen Joe Pass erzeugt mit seinen frappierenden rhythmischen Wendungen einen unablässig sprudelnden Quell voll melodischer Leichtigkeit, wie geschaffen dafür, um eine Darbietung wie diese richtig aufzufrischen, ihr einen absolut zeitlosen Charakter zu verpassen.

So schmeckt ein gelungeneres Konzert der „Great Guitars“ eben wie ein Cocktail aus drei konträren Ingredienzien: Whiskey, Sekt, Likör. Seltsam in der Mischung, aber allemal bekömmlich. Und selbst im verwöhnten Neuburger Jazzkeller ein durchaus seltener Genuß.