Johannes Enders New York Quintet | 23.04.1999

Neuburger Rundschau | Kerstin Schulz
 

Der Freitagabend im Neuburger Birdland Jazzclub war schon im Voraus mit Ruhmes-Lorbeeren umrankt: Der Bayerische Rundfunk hatte das Konzert des Johannes Enders New York Quintet zur Aufzeichnung auserkoren. Doch schon in dem Moment, als die Musiker die Bühne betraten, erlebte das Publikum eine Überraschung. Wer nachzählte, sah quasi „einen zuviel“ auf der Bühne.

Der aus Eichstätt stammende Pianist Roberto di Gioia komplettierte das Quartett zum Quintett und auch am Schlagzeug gab es eine Änderung: Statt Billy Hart saß der im Birdland bestens bekannte Rick Hollander hinter den Drums. Doch diese Änderungen taten dem Konzertvergnügen keinen Abbruch. Vincent Herring und Johannes Enders, die beiden Frontmen am Alt- beziehungsweise Tenorsaxophon, zogen die Band fast wie in einen magischen Bann.

Ihr Spiel stand in dieser Formation zu Recht im Vordergrund und sie nutzten die Freiräume, um sich zu entfalten, die Klangfarben ihrer Instrumente auszuspielen und ihren musikalischen Ideenreichtum zu präsentieren. Eines der Stücke, das das Publikum besonders in Atem hielt, war die Komposition „Time Tunnel“ von Johannes Enders. Der Song entwickelte durch seinen dynamischen Aufbau und die eingängige Melodie einen Sog, dem man sich nicht entziehen konnte. Lyrische Saxophonklänge schwebten durch den Jazzclub, dazu das dezente aber prägnante Schlagzeug von Rick Hollander und der einschmeichelnde Baß von Marc Abrams, eine reizvolle Kombination.

Vincent Herrings Qualitäten als Komponist zeigten sich bei „Timothy“. Das wunderschöne zweistimmige Intro der Saxophone und dann kam der Song richtig in Fahrt. Die Zuhörer waren begeistert, denn jeder für sich genommen war hörenswert, zusammen ist dieses Quintett ein Ereignis, gerade weil soviel musikalisches Potential zusammentrifft. „Ravi’s Rivla“ zum Beispiel, ein Titel von Roberte de Gioia, war ein Footstamper, der zur Filmmusik von Tarantinos „Jackie Brown“ passen könnte, eine eingängige Melodie, gepaart mit fast funkigem Rhythmus, die ein bißchen an die 70er Jahre erinnerte.

Selbst ein Duke Ellington-Klassiker wie „In a sentimental mood“ klingt bei diesen fünf kreativen Musikern nicht wie schon tausend Mal gehört, sondern irgendwie erfrischend unverbraucht und überraschend.

Vergessenes aus der Beatles-Ära kramte das Quintett auch wieder hervor, schickte „Norwegian Wood“ durch den rhythmischen Zeittunnel in die 90er und spätestens danach war klar, das der „Zeittunnel“ dieser Musiker nicht in die Vergangenheit, sondern in eine interessante Zukunft zeigt.